"Schmelzklebstoff"
Die Erfindung betrifft einen Schmelzklebstoff, seine Verwendung, ein Klebeverfahren und Fügeteile mit dem Schmelzklebstoff.
Unter Schmelzklebstoff wird ein einkomponentiger, bei Raumtemperatur fester, wasser- und lösungsmittelfreier Klebstoff verstanden, der zur Herstellung der Verklebung als Schmelze aufgetragen wird und beim Abkühlen durch Verfestigung die Bindung bewirkt. Üblicherweise werden die zu verbindenden Fügeteile sofort, maximal nach wenigen Minuten nach der Auftragung der Klebstoff-Schmelze zusammengefügt. Man kann sie jedoch auch zunächst nur beschichten und mehr oder weniger lange Zeit lagern und schließlich den Klebstoff durch Erwärmen auf die Verarbeitungstemperatur aktivieren. Da der Schmelzklebstoff nicht nur beim Auftragen, sondern auch zum Verbinden der Fügeteile geschmolzen sein muß, ergeben sich Nachteile in seiner Handhabung. Großflächige Verklebungen mit geringer Auftragsmenge und lange Wartezeiten bis zum Fügen sind nicht ohne zusätzliche Erwärmung möglich.
Es sind auch Haftklebstoffe bekannt, die aus der Schmelze aufgetragen werden. Dabei handelt es sich um Klebstoffe, die bei Raumtemperatur permanent klebrig sind und bei leichtem Anpreßdruck sofort auf fast allen Substraten haften. Sie erlauben zwar auch nach
längerer Wartezeit eine großflächige Verklebung, jedoch sind die Festigkeiten sehr gering. Sie werden daher vorwiegend dann eingesetzt, wenn eine spätere Trennung erwünscht ist, z.B. bei Heftpflaster, Etiketten, Klebebändern usw.. Um eine unerwünschte Verklebung zu vermeiden, müssen die klebrigen Flächen mit einem Silikonpapier abgedeckt werden.
Derartige Schmelzklebstoffe sind z.B. aus der Broschüre "Technische Information" der Firma tivoli-Werke AG, Hamburg, bekannt. Aus der technischen Information über Reaktiv-Hotmelt: TIVOMELT 9600 und TIVOMELT 9617 vom März 1986 ist das Produkt TIVOMELT 9617/11 bekannt. Es handelt sich dabei um ein PUR-PrepolymerSchmelzklebstoff, der mit Feuchtigkeit reagiert. Das Produkt hat eine besonders lange offene Zeit, in der die Verklebung vorgenommen werden kann. Kurz nach dem Klebstoffauftrag besitzt es haftklebende Eigenschaften. Dies bedingt, daß die zu verklebenden Materialien während der Abbindephase fixiert werden müssen. Nach einer Anfangsphase von ca. 10 Minuten tritt eine rasche Zunahme der Festigkeit durch Kristallisation ein. Die einhergehende Reaktion mit Feuchtigkeit ist je nach Umgebungstemperatur und Feuchtigkeitsangebot nach 2 bis 7 Tagen beendet. Das Produkt TIVOMELT 9617/76 zeigt eine wesentlich höhere Anfangsfestigkeit und einen deutlichen härteren Film. Die Abbindegeschwindigkeit zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit den üblichen Schmelzklebstoffen.
In der DE-Al-32 36 313 wird ein Schmelzklebstoff aus folgenden Bestandteilen beschrieben: prepolymeres Isocyanat, thermoplastisches Polyurethan und ein niedermolekulares Kunstharz. 10 Sekunden nach seinem Auftrag aus der Schmelze wird das zu verbindende Fügeteil aufgelegt und angepreßt (siehe Anwendungsbeispiel 1).
In der japanischen Patentschrift JP 61,115,977 wird ein Schmelzklebstoff aus folgenden Bestandteilen beschrieben: aromatisches Öl, ein NCO-Gruppen-haltiges Urethanprepolymeres, ein Klebrigmacher, z.B. ein Cumaron-, ein Cumaron/Inden-, ein Terpen/Phenol-, ein Styrol- oder Terpen-Harz.
Die erfindungsgemäße Aufgabe besteht darin, die Handhabbarkeit der Schmelzklebstoffe zu verbessern, ohne oder ohne wesentliche Nachteile bezüglich der Festigkeitseigenschaften.
Die erfindungsgemäße Lösung ist den Ansprüchen zu entnehmen. Sie beruht im wesentlichen auf der Erkenntnis, daß bestimmte Schmelzklebstoffe auch wie Kontaktklebstoffe abbinden können.
Der erfindungsgemäße Schmelzklebstoff ist entsprechend der allgemeinen Definition bei Raumtemperatur fest, und es haftet ohne Druckeinwirkung praktisch nichts daran. Er ist frei von Wasser und flüchtigen Lösungsmitteln.
Unter "offener Zeit" wird die Zeit verstanden, in der unter Druckeinwirkung geklebt werden kann. Sie beträgt ca. 10 Min. und mehr, vorzugsweise mehr als eine Stunde, insbesondere mehr als 2 Stunden, bei einem Anpreßdruck von 5 kg/cm2 und bei einem Lagerklima von 25°C und 26 % relativer Luftfeuchtigkeit. Dabei werden unmittelbar nach dem Zusammenpressen bei 18 bis 23 °C für 30 Sekunden Festigkeiten (Anfangsfestigkeiten) von 1 MPa und mehr erzielt, bevorzugt mehr als 1,5 MPa.
Der erfindungsgemäße Schmelzklebstoff hat nach dem Auftragen auf die Fügeteile und nach seinem Erkalten innerhalb von 10 Minuten auf Raumtemperatur eine Shore A Härte von weniger als 65, insbesondere 10 bis 55. Seine Glastemperatur liegt vorzugsweise zwischen -10 und +30, insbesondere zwischen 10 und 25 °C.
Um eine optimale Filmhärte und Glastemperatur zu erzielen, sollte der Schmelzklebstoff in einer besonderen Ausführungsform folgende Komponenten in Gew.-%, bezogen auf den Schmelzklebstoff enthalten:
1. 30 bis 95 Gew.-% Polymer wie Polyester, Polyamid, PolyEthylen-Vinylacetat, welches innerhalb der offenen Zeit nicht kristallisiert.
2. Ein Klebrigmacher mit einem Erweichungsbereich von 10 bis 150 °C. Bevorzugt werden Harze mit einem Erweichungsbereich von 50 bis 150 °C. Der Klebrigmacher wird in einer Menge von 0 bis 50 Gew.-%, bevorzugt 20 bis 50 Gew.-%, bezogen auf den gesamten Klebstoff, zugesetzt.
3. Eventuell kann dem Klebstoff - anstelle oder vorzugsweise zusammen mit dem Klebrigmacher - noch ein Weichmacher in einer Menge bis zu 30 %, vorzugsweise 5 bis 25 Gew.-%, bezogen auf den Schmelzklebstoff insgesamt, zugegeben werden.
Eine weitere bevorzugte Ausführungsform enthält folgende Komponenten:
1. Ein NCO-terminiertes Polyurethan/Prepolymer, welches innerhalb der offenen Zeit nicht kristallisiert. Es sollte ein Molekulargewicht Mn = 2 000 bis 10 000 g/Mol haben. Als Diolkomponente wird vorzugsweise ein Polyesterdiol eingesetzt.
2. Ein Klebrigmacher mit einem Erweichungsbereich von 40 bis 150 °C. Bevorzugt werden phenol-modifizierte Cumaron-IndenHarze mit einem Erweichungsbereich von 55 bis 105 °C. Der Klebrigmacher wird in einer Menge von 1 bis 50 Gew.-%, bevorzugt 5 bis 30 Gew.-%, bezogen auf den gesamten Klebstoff, zugesetzt.
3. Eventuell kann dem Klebstoff noch ein Weichmacher in einer Menge bis zu 25 %, vorzugsweise 1 bis 10 Gew.-%, bezogen auf den Schmelzklebstoff insgesamt, zugegeben werden.
Die Kristallisation des Polymeren ist an der Trübung des anfänglich transparenten Klebstoff- Films zu erkennen.
Zur Herstellung des erfindungsgemäßen Schmelzklebstoffes werden die Komponenten gemeinsam aufgeschmolzen und intensiv gemischt, z.B. bei 180 bis 200 °C.
Der erfindungsgemäße Klebstoff kann wie üblich verwendet werden, d.h. die zu verbindenden Teile werden unmittelbar nach dem Auftrag der Schmelze zusammengepreßt. Vorzugsweise trägt man jedoch den Schmelzklebstoff als Schmelze auf die Oberfläche beider Fügeteile auf und kühlt den Schmelzklebstoff innerhalb von ca. 10 Minuten auf Raumtemperatur ab. Zum Verkleben werden die Fügeteile ohne Erwärmung nach mehr als 10 Minuten zusammengedrückt. Das heißt, der erfindungsgemäße Schmelzklebstoff kann wie ein aus der Schmelze aufgetragener Kontaktklebstoff behandelt werden. Der erfindungsgemäße Schmelzklebstoff hat also die vorteilhaften Eigenschaften eines Schmelzklebstoffs sowie die eines Kontaktklebstoffs. Die Nachteile eines Kontaktklebstoffs, z.B. die Emission von organischen Lösungsmitteln oder die lange Ablüftzeit bei einem wasserbasierten System, verbunden mit im allgemeinen geringen Wärmestandfestigkeiten, werden vermieden.
Die Erfindung wird anhand folgender Beispiele näher erläutert, wobei folgende Prüfmethoden zugrunde gelegt werden:
Shore A Filmhärte nach DIN 53505 an mindestens 6 mm dicken Filmen.
Zuoscherfestiokeit (ZSF) an einschnittig überlappenden Buchenholzprüfkörpern (80×50×4 mm).
Der Klebstoffauftrag erfolgte bei 180 bis 200 °C mit einer Rakel. Die Auftragsstärke betrug 100 μm im Beispiel A und 250 μm im Beispiel B. Es wurde in 10 Minuten durch Lagerung bei Raumtemperatur abgekühlt. Die Wartezeit bis zum Verpressen begann unmittelbar nach Erkalten der beschichteten Prüfkörper.
Anpreßdruck 5 kg/cm2
Überlappungsfläche 1000 mm2
Prüfgeschwindigkeit 100 mm/min
Die Prüfung erfolgte im Beispiel Aa) sofort nach dem Verpressen (= ZSF sofort) und b) eine angegebene Anzahl von Tagen danach (= ZSFd) und im Beispiel B wenige Minuten nach dem Verpressen (= ZSF Anfang).
Die Bestimmung der Glastemperatur (Tg) der unvernetzten Besenichtungsmasse erfolgte mittels Dynamisch-Mechanischer-Thermischer-Analyse. Als Tg wird das Maximum von tan delta bei einer Frequenz von 1 Hz und einer Aufheizrate von 2 °C/min definiert.
Beispiel A:
Aa) Herstellung der Klebstoffe
Die in der Tab. 1 angegebenen Ausgangsstoffe wurden bei 180 bis
200 °C gemeinsam aufgeschmolzen und intensiv gemischt.
Die Kristallisation ist sehr leicht bei den Beispielen 1 bis 5 an
Hand der sehr deutlichen Trübung zu erkennen.
Ab) Anwendung
Mit dem erhaltenen Schmelzklebstoff wurden - wie bei den Meßmethoden angegeben - Prüfkörper aus Buchenholz verklebt. In Abhängigkeit von der offenen Zeit wurde die Härte, die Anfangsfestigkeit und die Tg bestimmt. Die Ergebnisse sind in Tab. 1 und 2 dargestellt.
Tabelle 1
Klebstoff-Zusammensetzung Offene Zeit Eigenschaften
Bsp.Polymer Harz Weichmacher verpreßt FilmZSF ZSFd Tg Art Gew.-% Art Gew.-% Art Gew.-% nach härte sofort
[min] [Shore A] [MPa] [MPa] [°C]
1 Dynapol 75 CI 20 DOP7) 5 10 14 1.5 51 19 S 1229-0 B1/75A
2 " 75 Kunst20 " 5 10 27 1.4 n.b 11 harz AP5) 30 53 2.3 "
3 " 75 Staybelite 20 " 5 10 11 2.6 n.b 16
Ester 106) 30 18 1.6 "
4 " 75 CI 20 " 5 10 20 1.8 51 16
B1/55A4)
5 " 75 CI 20 " 5 10 30 2.3 61 26
B1/105A4)
Tabelle 2
Klebstoff-Zusammensetzung Offene Zeit Eigenschaften
Bsp. Polymer Harz Weichmacher verpreßt FilmZSF ZSFd Tg
Art Gew.-% Art Gew.-% Art Gew.-% nach härte sofort
[min] [Shore A] [MPa] TMPal [°C]
V 1 Dynapol 100 0 0 10 nicht verpreßßbar 11
S 1229
6 Macromelt 80 0 Ketjen20 10 43 2.0 3.13
62392) flex8)
V 2 " 100 0 0 10 74 nicht verpreßbar 11
7 Escorene 50 Staybe50 0 10 53 1.0 1.55 20 UL 15019 lite Ester 106) 30 59 1.0 1.55
60 59 1.8 2.15
V 3 " 100 0 0 10 86 nicht verpreßbar -16
8 Escorene 50 Staybe50 0 10 26 1.5 n.b.
UL 40028 lite Ester 10 30 29 1.8 " 13
60 29 1.0 "
V 4 " 100 10 82 nicht verpreßbar -16
Erläuterungen: 1) DYNAPOL S 1229 ist ein mittelkristalliner, gesättigter, linearer Copolyester mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht Mn von 12200 der Firma Hüls AG.
2) MACR0ME1T 6239 ist ein thermoplastischer
Polyamid-Schmelzklebstoff der Fa. Henkel KGaA.
3) ESCORENE Ultra 15019 und 40028 CC sind
EVA-Copolymere für Klebstoffe der Fa. Esso AG.
4) CI B1/75A und 55A sowie 105A sind
alkohollösliche, phenolmodifizierte
Inden-Cumaronharze mit Erweichungspunkten bei 75, 55 und 105 °C.
5) Das Kunstharz AP ist ein Ketonformaldehydharz der Fa. Hüls AG zur Glanzerhöhung in NC- und
PVC-Lacken.
6) STAYBELITE Ester 10 ist ein Triethylenglykolester von hydriertem Kolophonium der Fa. Hercules.
7) DOP ist eine Abkürzung für Dioctylphthalat.
8) KETJENFLEX 8 ist ein N-Ethylbenzolsulfonamid-Harz der Fa. AKZO, der als Weichmacher für Polyamide angeboten wird.
n.b. = nicht bestimmt
Die Vergleichsbeispiele sind durch ein vorgesetztes V in der 1. Spalte gekennzeichnet.
Beispiel B:
Ba) Vergleichsbeispiel:
TIVOMELT 9617/76, ein reaktives Polyesterurethan mit Harz der Fa.
Tivoli. verpreßt nach Shore A ZSF Anfang [MPa]
10 min <10 1.0 beginnende
Rekristallisation
30 min 30 0.5
60 min 58 nicht verpreßbar,
rekristallisiert
Bb) Herstellung
Die Synthese der Polyesterurethane erfolgte in bekannter Weise aus Polyesterdiolen mit 2 bis 2,2 Äquivalenten Diphenylmethan-4,4'-diisocyanat in der Schmelze. Klebrigmacher und gegebenenfalls Weichmacher wurden nach Erreichen des theoretischen NCO-Wertes zugegeben und in der Schmelze homogenisiert. Näheres siehe Tabelle 3. Die Beispiele 2 und 4 sind erfindungsgemäß, die Beispiele 1 und 3 nicht.
Bc) Anwendung
Mit dem erhaltenen Schmelzklebstoff wurden - wie bei den Meßmethoden angegeben - Prüfkörper aus Buchenholz verklebt. In Abhängigkeit von der offenen Zeit wurde die Härte, die Anfangsfestigkeit und die Tg bestimmt. Die Ergebnisse sind in Tab. 3 dargestellt. Zusätzlich sei angegeben, daß die Zugscherfestigkeit aller Proben des Beispiels 4 nach 7 Tagen so groß war, daß Materialbruch eintrat.
Bestimmung der offenen Zeit von Beispiel 2 auf hart-PVC (Abmessungen und Prüfbedingungen entsprechen den Holzprüfkörpern). Lagerung bei 25 °C/26 % rel. F.
Verpreßt nach Shore A ZSF Anfang [MPa]
10 min 28 2.0
1 h 28 1.9
3 h 28 1.8
5 h 29 1.3
22 h 32 2.4
ZSF nach 7 Tagen: bei allen Proben Materialbruch
Tabelle 3:
Bsp. Polyester Harz Weichmacher Härte verpreßt ZSFAnfang[MPa] Tg [°C]
des PUR [%] [%] [%] Shore A nach [min]
1 100 Dynacoll 0 0 <10 10 0.8
73201) <10 30 0.5 5
72 60 n. verp.6)
2 4 DOP 5) 28 10 2.0
30 30 1.8 18
32 60 1.9
3 69 Dyn. 7320 D 31 CI 4) 0 61 10 0.7
PE 230 3) 65 30 n. verp.6) 30
Dynapol S14022) 66 60 n. verp.6)
12:12:1
4 85 Dyn. 7320 D 15 CI 4) 0 36 10 2.5
PE 230 3) 36 30 2.2 nicht bestimmt
Dynapol S14022) 38 60 2.2
23:23:4
Erläuterungen: 1) DYNACOLL 7320, ein teilkristalliner Copolyester zur Herstellung von reaktiven Klebstoffen mit verzögertem Abbindevermögen (Fa. Hüls AG)
2) DYNAPOL S 1402, ein gesättigter, schwach
kristalliner Copolyester (Fa. Hüls AG)
3) PE 230, ein linearer Polyester aus Adipinsäure, Isophthalsäure und Diethylenglykol
(Fa. Henkel KGaA)
4) Inden-Cumaron-Harz B1/75-A, phenol-modifiziert, alkohol-löslich, Erweichungspunkt (K.S.)
75 °C +/- 5 °C, Fa. VfT GmbH
5) DOP = Dioctylphthalat
6) n. verp. = nicht verpreßbar