Beschreibung
Anordnung und Verfahren zum Erzeugen eines Fehlersignals
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren mit den Merkmalen gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
Zur Fehleruberwachung bei elektrischen Energieversorgungsleitungen werden üblicherweise elektrische Schutzgerate einge- setzt, die unter Verwendung spezieller Schutzalgorithmen eine Entscheidung darüber treffen, ob ein Fehler auf der elektrischen Energieubertragungsleitung vorliegt. Bei Erkennen eines Fehlers werden automatisch geeignete Gegenmaßnahmen getroffen; üblicherweise werden Leistungsschalter geöffnet, um den Fehler zu isolieren. Ein in diesem Zusammenhang häufig eingesetzter Schutzalgorithmus ist der sogenannte Differentialschutz .
Bei einem Differentialschutzverfahren ist an jedem Ende eines überwachten Leitungsabschnittes der elektrischen Energieversorgungsleitung ein elektrisches Dif ferentialschutzgerat vorgesehen, das mittels an den jeweiligen Enden des Leitungsabschnittes angebrachter Stromwandler Strommesswerte erfasst, die den auf dem Leitungsabschnitt fließenden Strom angeben. Bei den Strommesswerten kann es sich beispielsweise um Strom- zeigermesswerte handeln, die eine höhere Genauigkeit als einfache Effektivwerte bieten, da sie eine Information über Amplitude und Phasenwinkel des gemessenen Stromes umfassen. Die erfassten Strommesswerte werden über eine Kommunikations- leitung zwischen den Differentialschutzgeraten ausgetauscht und miteinander verglichen. Im fehlerfreien Fall fließt zu einem bestimmten Zeitpunkt derselbe Strom in den Leitungsabschnitt hinein, wie aus diesem wieder herausfließt. Bildet man folglich die Differenz aus den Betragen der jeweils an
den Enden des Leitungsabschnittes gemessenen Strommesswerte, sollte im fehlerfreien Fall ein Wert nahe Null resultieren. Liegt jedoch ein Fehler auf dem Leitungsabschnitt vor, so fließt über die Fehlerstelle ein sogenannter Fehlerstrom und die Betrage der gleichzeitig an den Enden aufgenommenen Strommesswerte entsprechen sich nicht mehr. Es resultiert folglich eine Differenz der Strommesswerte, die oberhalb eines bestimmten Auslosewertes liegt, so dass durch die Diffe- rentialschutzgerate ein Fehler auf dem Leitungsabschnitt er- kannt wird.
Durch mit den Differentialschutzgeraten in Verbindung stehende Leistungsschalter an den Enden des Leitungsabschnitts kann die von dem Kurzschluss betroffene Phase daraufhin abge- schaltet werden. Hierzu erzeugen die Differentialschutzgerate als Fehlersignal ein sogenanntes TRIP-Signal (Auslosesignal) , das die angeschlossenen Leistungsschalter zum Offnen ihrer Schaltkontakte veranlasst, wodurch der fehlerbehaftete Teil des Leitungsabschnitts von der übrigen Energieversorgungslei- tung getrennt wird.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Schutzverfahren der eingangs beschriebenen Art weiter zu verbessern und deren Schutzwirkung zu erhohen.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemaß durch ein Verfahren mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 gelost. Vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens sind in Unteranspruchen angegeben .
Erf indungsgemaß ist vorgesehen, dass für einen wahlbaren Ort auf der Leitung unter Verwendung zumindest eines zu einem vorgegebenen Messzeitpunkt an dem einen Leitungsende aufgenommenen Strom- und Spannungsmesswerts ein erster Vergleichs-
wert ermittelt wird, der den Strom oder die Spannung angibt, der oder die im fehlerfreien Zustand an dem wählbaren Ort fließen oder anliegen müsste, für den wahlbaren Ort auf der Leitung unter Verwendung zumindest eines zu dem vorgegebenen Messzeitpunkt an dem anderen Leitungsende aufgenommenen
Strom- oder Spannungsmesswerts ein zweiter Vergleichswert ermittelt wird, der den Strom oder die Spannung angibt, der oder die im fehlerfreien Zustand an dem wahlbaren Ort fließen oder anliegen musste, und die beiden Vergleichswerte unter Bildung des Differenzwerts einer Differenzbildung unterzogen werden .
Ein wesentlicher Vorteil des erfindungsgemaßen Verfahrens ist darin zu sehen, dass bei diesem Messfehler aufgrund eines zu großen Abstandes zwischen den zwei Leitungsenden vermieden werden. Dies ist konkret darauf zurückzuführen, dass im Unterschied zu vorbekannten Verfahren nicht Messwerte verglichen werden, die sich auf unterschiedliche Stellen der Leitung beziehen, sondern stattdessen Messwerte verglichen wer- den, die sich auf ein und dieselbe Messstelle beziehen. Insbesondere bei einem großen Abstand zwischen den beiden Leitungsenden kann nämlich das Problem auftreten, dass sich beispielsweise die Strome an den beiden Leitungsenden unterscheiden, obwohl gar kein Fehler aufgetreten ist. Hier setzt die Erfindung an, indem erfindungsgemaß zum Messwertvergleich und zur Erzeugung des Fehlersignals lediglich Messwerte für einen einzigen Ort berücksichtigt werden, wobei die Messwerte für diesen Ort ausgehend von den Messergebnissen an den Leitungsenden ermittelt werden.
Die Bildung der Vergleichswerte kann zeitbezogen oder frequenzbezogen erfolgen, beispielsweise unter Verwendung von Strom- und/oder Spannungszeigefn . Im Falle einer Berechnung der Vergleichswerte mit Zeigern wird es als vorteilhaft ange-
sehen, wenn die Zeiger einer Clark-Transformation unterzogen werden und die Bildung der Vergleichswerte mit den Clark- tranformierten Zeigern erfolgt.
Falls als wählbarer Ort ein Ort zwischen den beiden Leitungsenden gewählt wird, so wird der zweite Vergleichswert vorzugsweise sowohl unter Verwendung eines an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Strommesswerts als auch unter Verwendung eines zu dem vorgegebenen Messzeitpunkt an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Spannungsmesswerts ermittelt.
Falls als der wahlbare Ort das andere Leitungsende gewählt wird, so wird vorzugsweise unmittelbar der Strom- oder Spannungsmesswert an dem anderen Leitungsende als zweiter Ver- gleichswert verwendet.
Besonders einfach und damit vorteilhaft erfolgt die Bestimmung der beiden Vergleichswerte unter Berücksichtigung der die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen auf Leitungen be- schreibenden Telegraphengleichung.
Gemäß einer besonders bevorzugten Ausgestaltung des Verfahrens ist vorgesehen, dass für die Anwendung der Telegraphengleichung die Ausbreitungskonstante und der Wellenwiderstand der Leitung in einer fehlerfreien Parameterlernphase ermittelt werden.
Besonders vorteilhaft ist es, wenn die Ausbreitungskonstante und der Wellenwiderstand wahrend der Parameterlernphase mit- tels eines Schätzverfahrens bestimmt werden, wobei im Rahmen des Schatzverfahrens der Betrag und die Phase der Ausbrei¬ tungskonstante und des Wellenwiderstands der Leitung derart angepasst werden, dass die Abweichung zwischen dem ersten Vergleichswert und dem zweiten Vergleichswert minimal ist.
Als Schatzverfahren wird vorzugsweise ein Least-Squares- Schatzverfahren, ein Kalman-Filter-Algorithmus oder ein ARMAX-Schatzverfahren verwendet.
Wenn das andere Leitungsende als wahlbarer Ort gewählt wird, so können der erste und der zweite Vergleichswert beispielsweise ermittelt werden gemäß:
VIl = (l/Z) * sinh(γ*L) * Ua + cosh(γ*L) * Ia VI2 = Ib
wobei Z den Wellenwiderstand der Leitung, γ die Ausbreitungskonstante auf der Leitung, L die Lange der Leitung, Ua den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Spannungsmesswert, Ia den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, Ib den an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, VIl den ersten Vergleichswert und VI2 den zweiten Vergleichswert bezeichnet. Bei dieser Vorgehensweise werden also als Vergleichswerte Vergleichsstromwerte gebildet.
Alternativ können als Vergleichswerte auch Vergleichsspannungswerte gebildet werden, beispielsweise gemäß
VUl = Ua * cosh(γ*L) + Z * Ia sinh(γ*L) VU2 = Ub
wobei Z den Wellenwiderstand der Leitung, γ die Ausbreitungskonstante auf der Leitung, L die Lange der Leitung, Ua den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Spannungsmesswert, Ia den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, Ub den an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Spannungsmess-
wert, VUl den ersten Vergleichswert und VU2 den zweiten Vergleichswert bezeichnet.
Wird ein Ort zwischen dem einen und dem anderen Leitungsende als wahlbarer Ort gewählt, so können der erste und der zweite Vergleichswert in Form von Vergleichsstromwerten ermittelt werden, vorzugsweise gemäß:
VIl = (l/Z) * sinh(γ*l) * Ua + cosh(γ*l) * Ia VI2 = (l/Z) * sinn (γ* (L-I) ) * Ub + cosh (γ* (L-I) ) * Ib
wobei Z den Wellenwiderstand der Leitung, γ die Ausbreitungskonstante auf der Leitung, L die Lange der Leitung, 1 die Leitungslange zwischen dem wahlbaren Ort und dem einen Lei- tungsende, Ua den an dem einen Leitungsende aufgenommenen
Spannungsmesswert, Ia den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, Ub den an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Spannungsmesswert, Ia den an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, VIl den ersten Vergleichs- wert und VI2 den zweiten Vergleichswert bezeichnet.
Alternativ können auch Vergleichsspannungswerte gebildet werden, vorzugsweise gemäß:
VUl = Ua * cosh(γ*l)+ Z * Ia sinh(γ*l)
VU2 = Ub * cosh (γ* (L-I) )+ Z * Ib sinh (γ* (L-I) )
wobei Z den Wellenwiderstand der Leitung, γ die Ausbreitungskonstante auf der Leitung, L die Lange der Leitung, 1 die Leitungslange zwischen dem wahlbaren Ort und dem einen Leitungsende, Ua den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Spannungsmesswert, Ia den an dem einen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, Ub den an dem anderen Leitungsende auf-
genommenen Spannungsmesswert, Ib den an dem anderen Leitungsende aufgenommenen Strommesswert, VUl den ersten Vergleichswert und VU2 den zweiten Vergleichswert bezeichnet.
Im Falle einer zeitbezogenen Bildung der Vergleichswerte können die Summanden zur Bildung der Vergleichsstromwerte in IIR-Filter umgesetzt werden. Zur Erläuterung dieser Variante des Verfahrens wird nachfolgend beispielhaft die bereits beschriebene Gleichung
VIl = (l/Z) * sinh(γ*l)*Ua + cosh (γ *l)*Ia
verwendet. Diese Gleichung kann durch Zusammenfassen der konstanten komplexen Ubertragungsfunktionen beispielsweise wie folgt umgeformt werden:
VΙl(jω) = Gl(jco) * Ua(jω) + G2 (jω) * Ia(jω)
mit :
Gl(jω) =(1/Z) * sinh(γ*l) G2(jω) =cosh(γ*l)
Durch Rucktransformation dieser Gleichung in zeitdiskrete Ab- tastwertefolgen (z-Bereich) erhalt man:
VIl(z) = Gl(Z) * Ua(z) + G2(z)* Ia(z)
Auf diese Weise kann der Vergleichswert also auch als zeit- diskreter Abtastwert aus den Abtastwerten der Strom- und Spannungsmesswerte bestimmt werden.
In den Literaturstellen:
[1] Levi, E. C, "Complex-Curve Fitting", IRE Trans, on Automatic Control, Vol. AC-4 (1959), pp . 37-44 und [2] Dennis, J.E., Jr., and R.B. Schnabel, "Numerical Methods for Unconstrained Optimization and Nonlinear Equations", Prentice-Hall, 1983 sind beispielsweise Verfahren beschrieben, die einen direkten Entwurf von IIR-Filtern für die Ubertragungsfunktionen Gl(z) und G2(z) aus den Ubertragungsfunktionen Gl(jω) und G2(jω) gestatten. Beispielsweise kann dazu die MATLAB-Funktion invfreqz() benutzt werden, die diese Verfahren implementiert.
Um eine unmittelbare Auswertung der Messwerte zu ermöglichen, wird es als vorteilhaft angesehen, wenn Strom und Spannung an den beiden Leitungsenden synchronisiert gemessen werden.
Alternativ können die Strom- und Spannungsmesswerte an den beiden Leitungsenden auch unsynchronisiert gemessen werden; in einem solchen Fall wird es als vorteilhaft angesehen, wenn die Strom- und Spannungsmesswerte mit einem Zeitstempel ver- sehen werden, der die jeweilige Aufnahmezeit der Messwerte angibt, und die Strom- und Spannungsmesswerte der beiden Leitungsenden unter Heranziehung ihrer jeweiligen Aufnahmezeit rechnerisch synchronisiert werden und auf den vorgegebenen Messzeitpunkt bezogene Strom- und Spannungsmesswerte gebildet werden.
Die Erfindung bezieht sich darüber hinaus auf eine Anordnung zum Erzeugen eines Fehlersignals, das einen Erdschluss auf einer Leitung zwischen einem ersten und einem zweiten Lei- tungsende kennzeichnet.
Erfindungsgemaß weist die Anordnung auf: ein erstes Messgerat an dem ersten Leitungsende der Leitung, ein zweites Messgerat an dem zweiten Leitungsende der Leitung und eine mit den bei-
den Messgeräten verbundene Auswerteinrichtung, die geeignet ist, mit den Messwerten der beiden Messgerate ein Verfahren wie oben beschrieben auszufuhren.
Die Auswerteinrichtung wird vorzugsweise durch eine programmierte Datenverarbeitungsanlage bzw. Datenverarbeitungseinrichtung gebildet.
Die Auswerteinrichtung kann beispielsweise in einer Zentral- einrichtung angeordnet sein, mit der die beiden Messgerate in Verbindung stehen. Alternativ können die beiden Messgerate miteinander verbunden sein, wobei die Auswerteinrichtung in einem der Messgerate implementiert ist.
Die Erfindung bezieht sich außerdem auf ein Feldgerat, insbesondere Schutzgerat, zum Anschluss an ein Leitungsende einer elektrischen Leitung und zum Erkennen eines Erdschlusses auf der Leitung.
Erf indungsgemaß weist das Feldgerat auf: eine Auswerteinrich¬ tung, die geeignet ist, ein Verfahren wie oben beschrieben auszufuhren, und einen Datenanschluss zum Anschluss an ein anderes Messgerat zum Empfangen von Messwerten, die sich auf das andere Leitungsende der Leitung beziehen.
Die Erfindung wird im Folgenden anhand von Ausfuhrungsbeispielen naher erläutert; dabei zeigen beispielhaft
Figur 1 eine schematische Darstellung eines Leitungsab- Schnitts mit einem Differentialschutzsystem und
Figur 2 eine schematische Darstellung eines Dif ferential- schutzgerates .
In den Figuren werden der Übersicht halber für identische oder vergleichbare Komponenten dieselben Bezugszeichen verwendet .
In Figur 1 ist ein Differentialschutzsystem 10 gezeigt, das an einem Leitungsabschnitt 11 einer im Übrigen nicht naher dargestellten dreiphasigen elektrischen Energieversorgungsleitung angeordnet ist. Obwohl der Leitungsabschnitt 11 in Figur 1 der Einfachheit halber als ein Leitungsabschnitt mit zwei Enden dargestellt ist, kann es sich dabei auch um einen Leitungsabschnitt mit drei oder mehr Enden handeln. Das im Folgenden beschriebene Verfahren ist auf einen Leitungsabschnitt mit mehr als zwei Enden entsprechend anzuwenden.
Der in Figur 1 gezeigte Leitungsabschnitt 11 umfasst als dreiphasiger Leitungsabschnitt einzelne Phasen IIa, IIb und llc. An einem ersten Ende 12 des Leitungsabschnitts 11 an einer ersten Stelle x=0 werden mittels im Einzelnen nicht naher dargestellter Primarwandler 13a, 13b und 13c die in den Lei- terphasen IIa, IIb und llc fließenden Strome sowie die an den Leiterphasen anliegenden Spannungen gemessen und einem ersten Differentialschutzgerat 14a zugeführt. Entsprechend werden an einem zweiten Ende 15 des Leitungsabschnitts 11 an einer zweiten Stelle x=L über Primarwandler 16a, 16b und 16c die in den einzelnen Leiterphasen IIa, IIb und llc fließenden Strome sowie die an den Leiterphasen anliegenden Spannungen erfasst und einem zweiten Differentialschutzgerat 14b zugeführt.
Im normalen Betrieb überwachen die Dif ferentialschutzgerate 14a und 14b den Leitungsabschnitt 11 auf möglicherweise auftretende Fehler, wie beispielsweise Kurzschlüsse. Hierzu übermitteln die Differentialschutzgeräte 14a und 14b über eine zwischen ihnen vorhandene Kommunikationsstrecke 17 die von ihnen erfassten Messwerte. Die Kommunikationsstrecke 17 kann
sowohl kabelgebunden als auch drahtlos aufgebaut sein. Üblicherweise werden als Kommunikationsstrecke 17 Kupferleitungen oder Lichtwellenleiter eingesetzt. Die Differentialschutzgeräte 14a und 14b prüfen anhand der eigenen und den von dem anderen Ende empfangenen Messwerte durch eine weiter unten im Detail erläuterte Differenzbildung, ob ein Fehler auf dem Leitungsabschnitt 11 der Energieubertragungsleitung vorliegt.
Bei dem Ausfuhrungsbeispiel gemäß der Figur 1 weisen die bei- den Differentialschutzgeräte 14a und 14b jeweils zwei Betriebsarten auf, nämlich eine erste Betriebsart für einen kurzen Leitungsabschnitt 11 bzw. einen kurzen Abstand zwischen der ersten Stelle x=0 und der zweiten Stelle x=L und eine zweite Betriebsart für einen langen Leitungsabschnitt bzw. einen großen Abstand zwischen der ersten Stelle x=0 und der zweiten Stelle x=L.
Bei der ersten Betriebsart für einen kurzen Leitungsabschnitt prüft jedes Differentialschutzgerat 14a bzw. 14b, ob die Dif- ferenz aus den eigenen und den empfangenen Messwerten eine Ausloseschwelle überschreitet und gibt für den Fall einer Überschreitung als Fehlersignal ein Trip-Signal (Auslosesignal) T an einen ihm jeweils zugeordneten Leistungsschalter 18a bzw. 18b ab. Wenn die Messwerte für jede Phase einzeln erfasst und übertragen werden, lasst sich auf diese Weise auch die fehlerbehaftete Phase eindeutig feststellen. Durch das Trip-Signal T wird der jeweilige Leistungsschalter 18a bzw. 18b zum Offnen seiner der jeweiligen fehlerbehafteten Phase zugeordneten Schaltkontakte veranlasst, um so die feh- lerbehaftete Phase aus der elektrischen Energieubertragungsleitung abzutrennen.
In Figur 1 ist beispielhaft ein Kurzschluss 19 zwischen der Phase 11c des Leitungsabschnittes 11 und der Erde eingezeich-
net; die Leistungsschalter 18a und 18b haben ihre zu der be¬ troffenen Phase 11c gehörenden Schaltkontakte jeweils geöffnet, um die Phase 11c aus der elektrischen Energieubertra- gungsleitung zu isolieren.
Bei den Dif ferentialschutzgeraten 14a und 14b können die durch die Primarwandler 13a, 13b, 13c bzw. 16a, 16b, 16c er- fassten Strommesswerte beispielsweise in Stromzeigermesswerte umgewandelt werden, die eine Aussage über Amplitude und Pha- senlage des an dem jeweiligen Ende 12 bzw. 15 fließenden
Stromes ermöglichen. Hierzu werden die Stromzeigermesswerte beispielsweise in der komplexen Darstellung notiert. Für das Ende 12 des Leitungsabschnitts 11 werden zum Beispiel folgende Zeigermesswerte erfasst:
■"(Ml C
I0,41-e-'ωl"" , und
wobei I0Ai die Amplitude der Phase IIa, IOA2 die Amplitude der
Phase IIb und IOA3 die Amplitude der Phase 11c jeweils am Ende 12 des Leitungsabschnitts bedeutet. Entsprechend stellt ωt0Ai den Phasenwinkel des Stromes in Phase IIa, ωtθA2 den Phasenwinkel des Stromes in Phase IIb und ωtOA3 den Phasenwinkel des Stromes in Phase 11c dar. In entsprechender Weise lassen sich für das zweite Ende 15 des Leitungsabschnitts 11 die erfass- ten Stromzeiger wie folgt notieren:
Ofl3 e
wobei der Index „B" jeweils das zweite Ende 15 angibt.
Die Übertragung der Stromzeigermesswerte und der Vergleich in den jeweiligen Dif ferentialschutzgeraten 14a bzw. 14b kann ebenfalls in der Zeigernotierung erfolgen. Um jeweils die zu demselben Zeitpunkt aufgenommenen Stromzeigermesswerte miteinander zu vergleichen, wird den Stromzeigermesswerten in dem jeweils erfassenden Differentialschutzgerat 14a bzw. 14b ein Zeitstempel zugeordnet, der den Zeitpunkt ihrer Erfassung angibt. Durch die Vergabe eines Zeitstempels sinken auch die Anforderungen an die zwischen den Dif ferentialschutzgeraten 14a und 14b vorhandene Kommunikationsstrecke 17, da sich ohne die Notwendigkeit einer Echtzeitdatenubertragung alle gleichzeitig erfassten Stromzeigermesswerte anhand ihrer Zeitstem- pel einander zuordnen lassen.
Die oben beschriebene erste Betriebsart der beiden Differen- tialschutzgerate 14a und 14b ist bei kurzen Abstanden zwischen den Dif ferentialschutzgeraten relativ genau und zuver- lassig. Bei größeren Abstanden zwischen den Differential- schutzgeraten können jedoch unter Umstanden Messfehler auftreten, weil Vergleichswerte herangezogen werden, die sich auf unterschiedliche Stellen auf der Leitung, nämlich auf die Stelle x=0 und x=L beziehen.
Die e rs te Bet riebs a rt sol lte dahe r vor zugswei s e nur gewähl t werden , solange gilt :
L « Λ / 10 = -£- = 3 * 1 0' w / j = 60km
5
Für Kabel wird dieser Wert vorzugsweise um den Faktor der Dielektrizitätskonstanten der Kabelisolation (ca. 5) vermin¬ dert. Damit betragt die Grenze in Kabelnetzen ca. 12km.
Um auch bei größeren Abständen zwischen den Differential- schutzgeraten zuverlässig Fehlersignale erzeugen zu können, weisen die beiden Differentialschutzgeräte 14a und 14b gemäß der Figur 1 anstelle der beschriebenen ersten Betriebsart oder zusatzlich zu dieser zumindest eine zweite Betriebsart auf, die anwenderseitig bei größeren Abständen gewählt werden kann oder wegen ihrer größeren Genauigkeit standardmäßig voreingestellt ist.
Wie weiter unten noch im Detail erläutert wird, unterscheidet sich die zweite Betriebsart von der ersten Betriebsart dahingehend, dass sich die Vergleichwerte, die zum Erzeugen des Fehlersignals herangezogen werden, auf ein und dieselbe Stel- Ie auf der Leitung beziehen. Welche Stelle hierzu ausgewählt wird, ist prinzipiell beliebig, so dass die Stelle nachfolgend kurz als frei wählbare Stelle xw bezeichnet wird.
Die wahlbare Stelle xw kann beispielsweise an der Stelle x=0, an der Stelle x=L, dazwischen oder auch außerhalb des Lei¬ tungsabschnitts 11 liegen. Nachfolgend wird beispielhaft davon ausgegangen, dass für die wahlbare Stelle xw gilt:
xw = 1
wobei 1 prinzipiell jeden Wert zwischen - ∞ und + ∞ annehmen kann, vorzugsweise aber zwischen 0 und L liegt; es gilt also vorzugsweise :
0 < 1 < L
Bei einem ersten Ausfuhrungsbeispiel für die zweite Betriebs¬ art ist vorgesehen, dass als Vergleichswerte Vergleichsstromwerte VIl und VI2 gebildet werden, die sich auf den wahlbaren
Ort xw = 1 beziehen. Der erste und der zweite Vergleichsstromwert werden beispielsweise ermittelt gemäß:
VIl = (l/Z) * sinh(γ*l) * Ua + cosh(γ*l) * Ia VI2 = (l/Z) * sinh (γ* (L-I) ) * Ub + cosh (γ* (L-I) ) * Ib
wobei Z den Wellenwiderstand der Leitung, γ die Ausbreitungskonstante auf der Leitung, L die Lange der Leitung, 1 die Leitungslange zwischen dem wahlbaren Ort und der ersten Stel- Ie x=0, Ua den an der ersten Stelle x=0 aufgenommenen Spannungsmesswert einer Phase der Leitung, Ia den an der ersten Stelle x=0 aufgenommenen Strommesswert dieser Phase, Ub den an der zweiten Stelle x=L aufgenommenen Spannungsmesswert dieser Phase, Ib den an der zweiten Stelle x=L aufgenommenen Strommesswert dieser Phase, VIl den ersten Vergleichsstromwert und VI2 den zweiten Vergleichsstromwert bezeichnet.
Die Vergleichsstromwerte werden jeweils phasenindividuell ermittelt und ausgewertet.
Die Ausbreitungskonstante γ, der Wellenwiderstand Z und/oder die Leitungslange L werden beispielsweise wahrend einer Parameterlernphase, wahrend der in dem Leitungsabschnitt 11 kein Fehler auftritt bzw. auftreten darf, mittels eines Schatzver- fahrens bestimmt, wobei im Rahmen des Schatzverfahrens der
Betrag und die Phase der Ausbreitungskonstante, der Wellenwiderstand der Leitung und/oder die Leitungslange L derart an- gepasst werden, dass die Abweichung zwischen dem ersten Vergleichswert und dem zweiten Vergleichswert minimal ist. Als Schatzverfahren kann beispielsweise ein Least-Squares- Schatzverfahren, ein Kaiman-Filter-Algorithmus oder ein ARMAX-Schatzverfahren verwendet werden. Alternativ können die beiden Parameter für die Ausbreitungskonstante γ und den WeI-
lenwiderstand Z auch anwenderseitig im Rahmen eines Pararnet- rierschritts festgelegt werden, sei es anhand von theoretisch ermittelten oder gemessenen Werten.
Nach dem Ermitteln der beiden Vergleichsstromwerte VIl und VI2 werden diese einer Differenzbildung unter Bildung eines Differenzwertes D unterzogen gemäß:
D = IVIl- VI2 I
Falls dieser Differenzwert eine vorgegebene Auslosebedingung erfüllt, beispielsweise inner- oder außerhalb eines vorgegebenen Auslosegebiets eines Differenzwert-Auslosediagramms liegt oder schlicht einen vorgegebenen Maximalwert uber- schreitet, so wird für die jeweilige Phase der Leitung das Fehler- bzw. Tripsignal T erzeugt.
Bei einem zweiten Ausfuhrungsbeispiel für die zweite Betriebsart ist vorgesehen, dass als Vergleichswerte Ver- gleichsspannungswerte VUl und VU2 gebildet werden, die sich auf den wahlbaren Ort xw = 1 beziehen. Der erste und der zweite Vergleichsspannungswert VUl und VU2 werden beispielsweise ermittelt gemäß:
VUl = Ua * cosh(γ*l)+ Z * Ia sinh(γ*l)
VU2 = Ub * cosh(γ* (L-I) )+ Z * Ib sinh (γ* (L-I) )
Nach dem Ermitteln der beiden Vergleichsspannungswerte VUl und VU2 werden diese einer Differenzbildung unter Bildung ei- nes Differenzwertes D unterzogen gemäß:
D = IVUl- VU2 I
Falls dieser Differenzwert für eine oder mehrere Phasen der Leitung eine vorgegebene Auslόsebedingung erfüllt, beispielsweise inner- oder außerhalb eines vorgegebenen Auslosegebiets eines Differenzwert-Auslόsediagramms liegt oder einen vorge- gebenen Maximalwert überschreitet, so wird für die jeweils betroffene Phase das Fehler- bzw. Tripsignal T erzeugt.
Figur 2 zeigt beispielhaft das Differentialschutzgerat 14a in detaillierter Darstellung.
Das Differentialschutzgerat 14a weist eine Messwerterfas- sungseinrichtung 22 auf, die einen A/D-Wandler 23 enthalt und mit dem Leitungsabschnitt 11 in Verbindung steht sowie für jede Phase jeweils Strom- und Spannungsmesswerte U und I er- halt. Der Übersichtlichkeit halber ist das Dif ferentialschutzgerat 14a in der Darstellung gemäß Figur 2 lediglich mit der Phase IIa am Ende 12 des Leitungsabschnittes 11 verbunden; die Messwerterfassung bezuglich der übrigen Phasen IIb und llc ist in Figur 2 nicht gezeigt, sie erfolgt aber in entsprechender Weise.
Das Differentialschutzgerat 14a weist außerdem einen internen Zeitgeber 24 auf, der über ein externes Zeitsignal mit den internen Zeitgebern anderer Dif ferentialschutzgerate - insbe- sondere des Differentialschutzgerätes 14b - synchronisiert ist. Bei dem externen Zeitsignal kann es sich beispielsweise um ein Zeitsignal handeln, das aus einem mittels einer Antenne 27 empfangenen GPS-Signal abgeleitet wird. Ein anderes Beispiel eines externen Zeitgebers ist ein Zeittakt eines so- genannten „Real-Time-Ethernet Netzwerkes"; in diesem Falle ist anstelle der Antenne 27 eine entsprechende Ethernet- schnittstelle vorgesehen, über die das Gerat auch in dem Netzwerk kommunizieren kann.
Der interne Zeitgeber 24 übergibt ein Zeitsignal an die Mess- werterfassungseinrichtung 22, die jedem erfassten Spannungsund Strommesswert einen Zeitstempel zuordnet, der denjenigen Zeitpunkt angibt, zu dem der jeweilige Messwert erfasst wor- den ist.
Der jeweilige Messwert wird inklusive seines Zeitstempels einer Auswerteinrichtung - beispielsweise in Form einer Datenverarbeitungseinrichtung 25 - zugeführt. Die Datenverarbei- tungseinrichtung 25 ist mit einer Kommunikationseinrichtung
26 verbunden, die über einen Datenanschluss D14 des Differen- tialschutzgerats 14a wiederum mit der Kommunikationsstrecke 17 in Verbindung steht, um die in dem Dif ferentialschutzgerat 14a erfassten Messwerte inklusive ihrer Zeitstempel über die Kommunikationsstrecke 17 zu übertragen bzw. mit dem Differen- tialschutzgerat 14b erfasste Messwerte zu empfangen.
In der Datenverarbeitungseinrichtung 25 wird in bereits beschriebener Weise durch einen Vergleich der in dem ersten Differentialschutzgerat 14a erfassten Messwerte mit denjenigen, die von dem zweiten Dif ferentialschutzgerat 14b übertragen worden sind, eine Entscheidung darüber getroffen, ob auf der Phase IIa des Leitungsabschnittes 11 oder in einer anderen Phase des Leitungsabschnitts 11 ein Kurzschluss vorliegt. Gegebenenfalls wird ein Trip-Signal T erzeugt und an den in Figur 2 nicht dargestellten Leistungsschalter 18a abgegeben.