Filter aterial für Toxine, Bakterien, Viren und andere physiologische Schadstoffe
Die Erfindung- betrifft ein Filtermaterial für Toxine, Bakterien, Viren und andere physiologische Schadstoffe, das bei der Hä operfusion zur Befreiung des Blutes von derartigen Schadstoffen eingesetzt werden kann. Das Filtermaterial basiert dabei auf Verbindungen aus der Klasse der Calixarene und Reosrcinarene .
Die Hämoperfusion gehört zu den (Wirkungsvollsten Massnah en zur extrakorpσralen Gift- und- Schadstoffelimination.
Aus dem Stand der Technik ist es bislang bekannt, das dem Patienten entnommene Blut durch Adsorberkartu- schen zu leiten, die Gift- oder Schadstoffe dabei an den Adsorbentien zu binden und damit dem Blut zu entziehen. Bislang wurden Materialien mit bekannt guten Adsorptionseigenschaften, wie z.B. beschichtete Ak-
tivkohle oder Neutralharze, eingesetzt. Weitere Ad- sorber aterialien basieren auf funktionalisierten Polymermatrizes. In all diesen Fällen gibt es jedoch eine Vielzahl von Substanzen und Substanzklassen, welche schlecht bzw. gar nicht gebunden und damit abgetrennt werden können. Ein Beispiel hierfür sind Bakterien und Viren, für die bislang keinerlei Adsor- ber aterialien existieren.
Im Gegensatz zur Hämodialyse ist die Hämoperfus-iön imstande, auch lipophile, nicht dialysetauglicne Substanzen aus dem Blut zu eliminieren. Aber auch bei dialysefähige Substanzen ist die Hämoperfusion in der Regel überlegen. Eine wesentliche, und bislang nicht zu beseitigende Nebenwirkung ist die unerwünschte Ad- soprtion von Throinbozyten, die in einem Bereich bis etwa 40 % liegen kann.
Ausgehend hiervon war es Aufgabe der vorliegenden Er- findung, ein Filtermaterial für die Hämoperfusion bereitzustellen, dass nicht die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile aufweist, bezüglich der Filtereigenschaften eine hohe Effizienz zeigt und auf einfache Weise an spezielle Aufgabenstellungen im Be- reich der Hämoperfusion angepasst werden kanϊt,-- ,
Diese Aufgabe wird durch das Filtermaterial mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Die weiteren abhängigen Ansprüche zeigen vorteilhafte Weiterbildungen auf. In Anspruch 9 wird die Verwendung des Filtermaterials beschrieben.
Erfindungsgemäß wird ein Filtermaterial bereitgestellt, das aus einer Verbindung der allgemeinen For- el I
it R = H, Alkyl, Aryl, Alkyloxy, Aryloxy, A in, Amid, Carbonsäuren und Sulfonsäuren mit • 1 bis 12 C-Atomen, Aminosäuren, Zucker oder Kronenether,
Ri =H, Alkyl, Aryl, Alkyloxy, Aryloxy, Ain, Amid, Carbonsäuren und Sulfonsäuren mit 1 bis 12 C-Atomen, Sulfon-amide, Aminosäuren, Zucker, Kronenether, Cyclodex- trine, Purinbasen oder Pyri idinb.asen,
X = Methylen, S, 0, N oder P und
m =** 4, 5, 6 oder 8
und/oder einer Verbindung der allgemeinen Formel II
mit R = H, Alkyl, Aryl, Alkyloxy, Aryloxy, Amin, Amid, Carbonsäuren und Sulfonsäuren mit 1 bis 12 C-Atomen oder Aminosäuren,
Ri =H, Alkyl, Aryl, Alkyloxy, Aryloxy, Amin, Amid, Carbonsäuren und Sulfonsäuren mit 1 bis 12 C-Atomen, Sulfona ide, Aminosäuren, Zucker, Kronenether, Cyclodex- trine, Purinbasen oder Pyrimidinbasen,
R2 *=Alkyl oder Aryl,
X = Methylen, S, 0, N oder P,
r = 4, 5, 6 oder 8,
und
R3 =Hydroxyl und R4 = H
oder
R3 und 4 = 0, wobei R3 und R über Methylen, Ethylen oder Chinoxalin miteinander verbrückt sind
sowie mindestens einem Trägerstoff und/oder Additiv. Dabei können die bezeichneten aromatischen Systeme beliebige Heteroatome, z. B. 0, S, N, aufweisen.
Die Besonderheit der erfindungsgemäßen Lösung beruht darauf, daß die verwendeten Makromoleküle aus der Gruppe der Calixarene und Resorcinarene synthetisch leicht zugänglich und universell modifizierbar sind. Somit kann man sie auf. verschiedenste Anforderungen bezüglich der Substanzklassen der zu eliminierenden Giftstoffe optimieren. Es ist insbesondere im Hin- blick darauf interessant, daß eine Vielzahl von Substanzen bisher nur ungenügend eliminiert werden kann, z. B. Paraquat und Diquat.
Als Trägerstoff können beliebige aus dem Stand der Technik bekannte Matrizes verwendet werden. Bevorzugt
werden hierbei handelsübliche Matrizes auf Polymerbasis oder anorganische Oxide oder Matrizes, z.B. Kieselgel, Aluminiumoxid, Wolframoxid oder Zeolithe, verwendet. Ebenso ist es aber auch möglich, daß das Filtermaterial Biomatrixes wie Baumwolle oder Zellulose enthält oder daraus besteht.
Als Additive sind bevorzugt Micellenbildner oder Verbindungen aus der Gruppe Cyclodextrine enthalten.
Cyclodextrine sind aufgrund der hohen Hydroxylfunk- tionalität deutlich polarer und hydrophiler als Ca- lixarene bzw. Resorcinarene, wodurch für. bestimmte Anwendungen eine höhere Hydrophilie des Filtermateri- als realisiert werden kann.
Die Calixarene bzw. Resorcinarene der allgemeinen Formeln I und II sind in Abhängigkeit von dem zu eliminierenden Schadstoff zu modifizieren. Die Modifi- zierung erfolgt dabei unter dem Gesichtspunkt der Optimierung der Wechselwirkung zwischen dem Filtermaterial und dem betreffenden Target-Molekül, d. h. dem Schadstoff. Gleichzeitig sind hydrophile Gruppen in den Verbindungen notwendig, um die Wasserlöslichkeit zu gewährleisten.
Hier sollen nur beispielhaft verschiedene Modifizie- rungs öglichkeiten des Filtermaterials genannt werden, um spezielle Anwendungen zu realisieren. Hierzu zählt zum einen die Modifizierung des Filtermaterials mit Zuckern, die mit Bakterien wechselwirken können, wodurch diese für die Hämoperfusion zugänglich sind, so daß diese aus physiologischen Flüssigkeiten her- ausgefiltert werden können. Ebenso kann durch die Mo- difizierung des Filtermaterials mit Aminosäuren eine Wechselwirkung mit Viren ermöglicht werden, so daß
auch diese mittels der Hämoperfusion abtrennbar sind.
Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung des Filtermaterials sieht vor, daß die Verbindung der allgemeinen Formeln I und II mit Antikörpern modifiziert sind. Hierdurch wird die rasche Elimination von Antigenen auf Grund von Antigen-Antikörper-Wechselwirkungen ermöglicht. Insbesondere bei agressiven Viren besteht dadurch die Möglichkeit, Antigene aus dem Organismus zu entfernen bis sich das Imunsystem stabilisiert hat.
Ein weiterer besonderer Vorteil des Filtermaterials beruht darauf, daß die Verbindungen der allgemeinen Formeln I und II eine hohe Temperaturbeständigkeit aufweisen, was- sich in der Weise ausnutzen läßt, daß recyclingfähige Filtermaterialen bereitgestellt werden können. Durch eine entsprechende thermische Behandlung werden dabei die aus dem Blut eliminierten Schadstoffe thermisch zersetzt, während die im Filtermaterial enthaltenen Verbindungen der allgemeinen Formeln I und II stabil bleiben. Bevorzugt werden derartige thermische Behandlungen oberhalb von 300°C durchgeführt. Gegenüber den aus dem Stand der Technik bekannten Filtermaterialien weisen die erfindungsgemäßen damit eine deutlich höhere thermische Stabilität auf.
Vorzugsweise wird das Filtermaterial in gängige Fil- tervorrichtungen integriert. Hierzu zählen beispielsweise Kartuschen, Fritten, Disks oder Membranen.
Das erfindungsgemäße Filtermaterial findet bevorzugt für die Hämoperfusion von physiologischen Flüssigkei- ten Anwendung. Als physiologische Flüssigkeiten seien nur beispielsweise Blut, Plasma oder Urin genannt.
Anhand der nachfolgenden Figur und der Beispiele soll der erfindungsgemäße Gegenstand näher erläutert werden, ohne diesen auf die genannten Ausführungsbei- spiele zu beschränken.
Fig. 1 zeigt ein schematisches Strukturmodell des Tetrasulfonsäurecalix [4] aren-Paraquat-Komplexes .
In Fig. 1 ist der Einbau eines Paraquat-Moleküls in ein Tetrasulfonsäurecalix[4] aren-System dargestellt. Das Paraquat wird dabei über unterschiedliche Wechselwirkungen an das Filtermaterial gebunden. Hierzu zählt zum einen eine Kation-OH-Wechselwirkung 1, eine Kation-π-Wechselwirkung 2, eine CH-π-Wechselwirkung 3 und eine π-π-Wechselwirkung 4. Die Ko plexbildungs- kσnstante ist sehr groß und kann im Bereich 105 bis 10δ liegen. Das bedeutet, daß Paraquat irreversibel eingelagert wird und damit durch Hämoperfusion z.B. aus dem Blutkreislauf dauerhaft entfernt werden kann.
Beispiel 1
Synthese von '5, 11 , 17 ,23-Tetrasulfonsäurecalix [4] aren
Die Darstellung erfolgt nach dem in Formel III dargestellten ReaktionsSchema:
Folgende Ausgangsverbindungen wurden eingesetzt:
Calix[4] aren (7 mmo1' 3 g Schwefelsäure (98%) 30 ml Methanol, Ethylacetat.
In einem 100-ml-Dreihalskolben mit Gas-Ein- und -Aus- laßvσrrichtung wird die Schwefelsäure auf einmal zum Calix[4]aren zugegeben. Die Apparatur wird mit Argon gespült und das Reaktionsgemisch bei 80 °C etwa 4 Stunden gerührt. Der Reaktionsverlauf wird durch Probeentnahme und Löslichkeitsüberprüfung in Wasser verfolgt. Ist das Gemisch ohne Rückstand in Wasser löslich, wird die Reaktion abgebrochen. Das Rohprodukt wird mit einer Glasfritte (4 A) abgesaugt, in Methanol gelöst (um verbliebene Schwefelsäure zu entfernen) und mit Ethylacetat gefällt. Der weiße Niederschlag wird am ÖlpumpenVakuum getrocknet-
Die Ausbeute betrug 4,25 g (68 % d. Lit.) .
Folgende analytische Kenndaten konnten bestimmt werden:
IR (KBr, RT) :
3372, 3224, 3125 (V0H) ; 1473, 1461 (δCH2) 1171 (Vso2) .
αH-NMR (400 MHz, D20, δ = 4,65 ppm) :
7,40 (s, 8H, Ar-H) ; 3,82 (br s, 8H, Ar-CH2-Ar)
13C-NMR ( 400 MHz , D20 , CH3OH, δ = 50 , 2 pp ) :
153 , 29 (C-OH) ; 137 , 24 (C-SO3H) ; 129 , 83 (Ca --CH2- ) ; 128 , 03 (Car)' ; 32 , 05 (Car-CH2-Car) .
MS (MALDI-TOF) : m/ e=7 67 , l [M+Na ] ' (berechnet für C28H24O16S4 : M=744 , 8 g/mol )
Beispiel 2
Hämoperfusion zur Entgiftung von Paraquat
Bei den Untersuchungen der Wechselwirkungen von 5, 11, 17, 23-Tetrasulfon-säurecalix [4] aren mit Paraquat wurde käufliches Paraquat der Firma Sig a genommen. Neben diesem gebräuchlichsten Trivialnamen wird es oft auch als Methyl iologen bezeichnet. Der systematische Name nach IUPAC lautet: 1, 1 '-Dimethyl-4, 4 '- bispyridinium-dichlorid (Formel IV) .
Paraquat ist ein sehr wirksames Kontaktherbizid und hat als solches seit vielen Jahrzehnten eine breite Anwendung gefunden. Die toxische Wirkung bei Pflanzen beruht auf einer Hemmung der Photosynthese durch Bildung radikalischer Zwischenstufen, die die NADP- Reduktion verhindern. Dadurch wird die Energieübertragung behindert . Es wird im Feld in Gegenwart von Licht und 'Sauerstoff rasch zu ungiftigen, gut waser- löslichen Verbindungen abgebaut, wodurch es ein gutes Mittel ist, die Unkrautbekämpfung zeitlich gezielt und relativ umweitschonend durchzuführen'.
Durch Paraquat sind beim Menschen immer wieder zahlreiche akute und chronische Vergiftungen bei der landwirtschaftlichen Anwendung oder bei Suizidversuchen aufgetreten. Es treten dabei Symptome wie Augen- Schädigungen, Nieren- und Leberschäden, Gastritis sowie Lungenerkrankungen bis zum Tod durch Ersticken auf. Therapeutische Maßnahmen sind beschränkt, da es kein spezifisches Antidot gibt. Die Adsorption an Aktivkohle oder Kohlefiltern ist schwach, weshalb nach stärkeren Wechselwirkungen mit Adsorbentien gesucht wird.