Titrationsverfahren
Die Erfindung betrifft ein Titrationsverfahren für Flüssigkeiten, bei dem ein Analyt mit einer Titrationsmenge eines Titranten in Verbindung gebracht wird und ein Parameter untersucht wird, der sich bei Reaktion von Titrant und Analyt ändert.
In der Biologie und Chemie müssen häufig kleinste Flüssigkeitsmengen auf diese Weise analysiert werden. Mögliche Meßgrößen sind z. B. der pH-Wert der Flüssigkeit, die Konzentration von Molekülen mit oxidierenden oder reduzierenden Gruppen oder auch von Schwermetallen.
Oftmals stehen von den zu untersuchenden Materialien nur äußerst geringe Mengen zur Verfügung. Um quantitative Untersuchungen machen zu können, muß der Titrant dem Analyten in sehr kleinen Mengen zugeführt werden, um möglichst genau die Änderung von Parametern des Gemisches durch Zugabe des Titranten in Abhängigkeit der Titrantenmenge untersuchen zu können. Ist nur wenig Material vorhanden, so müssen zur genauen Titration viele Tropfen geringen Volumens des Titranten reproduzierbar erzeugt und nacheinander mit dem Analyten vereinigt werden. Bei zunehmend kleineren Volumina sind die Strömungen zunehmend
laminar. Ein Mischen des Analyten mit dem Titranten stellt sich bei kleinen Volumina daher als zunehmend schwierig heraus.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Titrationsverfahren anzugeben, das auch mit kleinsten Flüssigkeitsmengen im Bereich von einem Nanoliter bis wenigen Mikrolitem reproduzierbar ist und mit dem man sicher titrieren kann.
Diese Aufgabe wird mit einem Titrationsverfahren mit den Merkmalen des Anspruches 1 gelöst. Die Unteransprüche sind auf vorteilhafte Ausgestaltungen gerichtet.
Erfindungsgemäß wird ein durch seine Oberflächenspannung zusammengehaltener Tropfen des Analyten auf die im wesentlichen ebene Oberfläche eines Festkörpers aufgebracht. Eine Titrationsmenge des Titranten wird mit dem Analyttropfen zur Reaktion in Kontakt gebracht, wobei die Menge des Titranten kleiner ist als die Menge des Analyttropfens. Während oder nach der Reaktion wird eine für die Reaktion zwischen Titrant und Analyt charakteristische Größe gemessen. Gegebenenfalls wird eine weitere kleine Titrationsmenge des Titranten mit dem Analyten in Verbindung gebracht, um die Änderung der gemessenen Größe mit zunehmender Titrantenmenge zu bestimmen.
Für die Zwecke der vorliegenden Schrift bezeichnet der Begriff „Festkörper" sowohl Festkörper aus kristallinem Material, z. B. LiNbO3 oder Quarz, als auch Strukturen aus anderen Materialien, z. B. Kunststoff.
Sowohl Titrant als auch Analyt können dabei unter anderem reine Flüssigkeiten, Mischungen, Dispersionen oder Suspensionen, sowie Flüssigkeiten, in denen sich feste Teilchen befinden, umfassen. Ebenso können der Titrant bzw. der Analyt biologisches Material, wie z. B. Zellen, Makromoleküle, Proteine, Antikörper, Antigene oder DNA enthalten.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ist der Analyt ein einzelner Tropfen, der durch seine Oberflächenspannung zusammengehalten wird. Es sind keine Reaktionsgefäße notwendig, die die Titration z. B. durch Adhäsion negativ beein-
flussen könnten. Es besteht keine Randwechselwirkung mit ggf. vorhandenen Gefäßseitenwänden und die Titration sehr kleiner Flüssigkeitsmengen wird ermöglicht.
Das erfindungsgemäße Verfahren läßt eine Miniaturisierung der makroskopischen Titration um mehrere Größenordnungen zu. Es kann bei begrenzter Probenmenge die Konzentration sehr viel höher sein, so daß sich das erfindungsgemäße Verfahren zum Nachweis kleinster Probenmengen bzw. zur Analyse kleinster Volumina eignet. Aufgrund der kleinen Volumina im Bereich von einigen Nanolitern sind die Diffusionslängen klein und die Reaktionszeiten kurz.
Als Meßgröße können z. B. die Leitfähigkeit, der pH-Wert oder die Reaktionswärme dienen, die sich bei Zugabe des Titranten zum Analyten ändern. Im Analyten kann ferner ein Indikator gelöst sein, der z. B. einen Farbumschlag bewirkt. Bei einem bestimmten Konzentrationsverhältnis zwischen Titrant und Analyt im Analyttropfen wird durch diesen Indikator ein Farbumschlag bewirkt. Andere aus der makroskopischen Titration bekannte Meßgrößen können ebenfalls eingesetzt werden.
Vorzugsweise wird das erfindungsgemäße Verfahren auf einem Festkörperchip durchgeführt, wie er z. B. aus der Halbleitertechnik bekannt ist. Solche Chips lassen sich mit bekannten Techniken sehr einfach prozessieren und erlauben die Aufbringung z. B. von Elektroden oder funktionalisierten Schichten mit bekannten lithographischen Techniken. Solche Chipeinheiten können im Rahmen der „lab-on- the-chip"-Technologie (vgl. O. Müller, Laborwelt 1/2000, Seiten 36-38) bei der Miniaturisierung chemischer und biologischer Prozesse eingesetzt werden. Auf einem solchen Chip können mehrere Analysestationen angeordnet sein, mit denen das erfindungsgemäße Titrationsverfahren durchgeführt werden kann bzw. andere Analyseschritte vorgenommen werden können. Außerdem ist eine Integration mit anderen Einheiten eines Lab-on-the-chip leicht realisierbar.
Wird die Titrationsmenge des Titranten z. B. mit einem Pipettierroboter bzw. einem Piezodispenser auf die Oberfläche aufgebracht, so wird die kleine Menge des Analyttropfens bereits durch den Aufprall der Titerlösung auf den Analyt teilweise
gemischt. Um die Reaktion zwischen Titrant und Analyt zu befördern bzw. auf einem Analysepunkt befindliche Flüssigkeit zu durchmischen, wird während der Reaktion zwischen Analyt und Titrant vorteilhafterweise eine Oberflächenschallwelle in Richtung des Analysepunktes geschickt. Der Impulsübertrag einer Oberflächenschallwelle versetzt die Flüssigkeit auf der Oberfläche in Bewegung und führt zu deren Durchmischung. Der Impuls der Oberflächenschallwelle wird dabei durch die mechanische Deformation der Oberfläche oder durch die Wechselwirkung von durch die mechanische Deformation der Oberfläche hervorgerufenen Änderungen des elektrischen Feldes mit ggf. in der Flüssigkeit vorhandenen geladenen oder polarisierbaren Teilchen bewirkt.
Der Titrant kann tropfenweise mit Hilfe eines Pipettierroboters oder Piezodispen- sers mit dem Analytentropfen in Verbindung gebracht werden. Besonders einfach und vorteilhaft ist es jedoch, wenn Tropfen des Titranten auf der Festkörperoberfläche selbst in Richtung des Analyten bewegt werden. Die Bewegung der Titrationsmenge in Richtung des Analytentropfens kann ebenfalls mit Hilfe einer Oberflächenschallwelle ausgelöst werden. Die Bewegung auf der Oberfläche durch den Impulsübertrag einer Oberflächenschallwelle ermöglicht eine besonders gerichtete und definierte Bewegung. Die geeignete Frequenz der Oberflächenschallwelle hängt vom Durchmesser des zu bewegenden Tropfens ab und kann z. B. in Vorversuchen bestimmt werden.
Die zur Durchmischung der Flüssigkeit auf dem Analysepunkt und/oder zur Bewegung der Titrationsmenge des Titranten zum Analysepunkt vorteilhafterweise eingesetzten Oberflächenschallwellen können mit Hilfe eines oder mehrerer Inter- digitaltransducer auf einer piezoelektrischen Festkörperoberfläche erzeugt werden, deren Abstrahlrichtung der Richtung des gewünschten Impulsübertrages entspricht. Eine solche piezoelektrische Oberfläche kann z. B. aus einem LiNbO3- oder Quarzkristall gebildet sein. Ebenso kann auch eine piezoelektrische Beschichtung, z. B. ZnO, aus einem anderen Material vorgesehen sein. Die Oberfläche kann auch mit einer ausreichend dünnen biokompatiblen Schutzschicht versehen sein. Allgemein ist die Verwendung von Interdigitaltransducem zur Erzeugung von Oberflächen-
schallwellen zur Bewegung von kleinen Flüssigkeitsmengen in DE-A-100 55 318 beschrieben.
In einfacher Ausgestaltung dieser bevorzugten Ausführungsform wird ein Tropfen des Titranten auf die Festkörperoberfläche aufgebracht, der aufgrund seiner Oberflächenspannung zusammengehalten wird. Zur Titration wird aus diesem Tropfen die kleine Menge des Titranten abgezogen und dem Analyttropfen auf dem Analysepunkt zugeführt, wobei sich diese kleine Titrationsmenge des Titranten auf der Oberfläche bewegt. Dies garantiert eine höhere Reproduzierbarkeit der Tropfengröße als bei Verwendung eines bekannten Dispensers und eine höhere Treffgenauigkeit des Analyttropfens durch die Titrationsmenge.
Vorteilhafterweise wird der Analyt auf einen speziell funktionalisierten Analysepunkt auf der Festkörperoberfläche gebracht, dessen Fläche stärker von dem Analyten benetzt wird als die umgebende Festkörperoberfläche. Ein solcher Analysepunkt hält den Tropfen des Analyten an einer vorbestimmten Stelle, so daß ein Auseinanderfließen oder Wegdriften des Analyten verhindert wird.
Der als Reservoir dienende Titrantentropfen, aus dem die kleine Titrationsmenge des Titranten abgezogen wird, die dem Analyttropfen zugeführt wird, kann sich auf einem Ankerpunkt auf der Oberfläche des Festkörpers befinden, der mit der Flüssigkeit des Titranten besser benetzt als seine umgebende Festkörperoberfläche. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß der Titrant an einer bestimmten Stelle der Oberfläche verbleibt und diese ohne äußere Krafteinwirkung nicht verläßt.
Die Titrationsmenge des Titranten, die dem Analyten zugeführt wird, kann vorteilhafterweise auf der Festkörperfläche entlang eines Pfades bewegt werden, dessen Oberfläche mit dem Titrant besser benetzt als seine umgebende Oberfläche. Die Titrationsmenge bewegt sich vorzugsweise auf diesem Pfad, so daß eine kontrollierte Bewegung sichergestellt ist. Ein solcher Pfad kann z. B. durch eine Modulation der Benetzungseigenschaften erreicht werden, wie sie zur Bewegung von Flüssigkeitsmengen auf Oberflächen in DE-A-100 55 318 beschrieben ist.
Zur Abteilung einer kleinen Menge des Titranten von dem Reservoirtropfen auf dem Ankerpunkt kann der Reservoirtropfen auf dem Ankerpunkt über einen Pfad geführt werden, der mit dem Ankerpunkt und/oder dem Analysepunkt verbunden ist, wobei die Verbindung einen Bereich umfaßt, der so schmal ist, daß der Reservoirtropfen auf dem Ankerpunkt aufgrund seiner Oberflächenspannung den Ankerpunkt ohne äußere Krafteinwirkung nicht verläßt. Wird durch äußere Krafteinwirkung der Reservoirtropfen auf diesen Pfad an diese Engstelle getrieben, so reißt er definiert ab.
Alternativ kann ein Reservoirtropfen, z. B. ebenfalls durch den Impulsübertrag von Oberflächenschallwellen, auf der Oberfläche über einen oder mehrere kleine Oberflächenteilbereiche bewegt werden, die von der Flüssigkeit des Titranten stärker benetzt werden als ihre Umgebung. Die Fläche dieses Oberflächenteilbereiches ist dabei so klein gewählt, daß sie kleiner als die Berührungsfläche des Tropfens mit der Oberfläche ist. Wird der Reservoirtropfen ein- oder mehrmals über solche Oberflächenteilbereiche geführt, verbleibt eine kleine Menge des Titranten auf diesen Haltepunkten zurück und kann zur Titration in Richtung des Analyttropfens bewegt werden. So kann auf sehr einfache und reproduzierbare Weise eine kleine Titrationsmenge abgeteilt werden.
Um zu verhindern, daß die kleinen Flüssigkeitsmengen zu schnell verdampfen, wird das Titrationsverfahren zur Aufrechterhaltung definierter thermodynamischer Randbedingungen vorteilhafterweise in einer Klimakammer durchgeführt.
Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht die Miniaturisierung der makroskopischen Titration. Es können Volumina im Bereich weniger Nanoliter bis mehrerer Mikroliter titriert werden. Im speziellen bei der Verwendung von Oberflächenschallwellen kann zusätzlich zur Bewegung des Titranten auf der Oberfläche die Oberflächenschallwelle zur Durchmischung eingesetzt werden, um das Titrationsergebnis reproduzierbarer zu machen.
Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren können besonders vorteilhaft auch Analyseverfahren wie Scintillation Proximity Assay (SPA) oder Fluorescence Resonance Energy Transfer (FRET) durchgeführt werden, wie sie in J. Osborn, Life Science News, March 2001 , Seiten 1-4, „A review of radioactive and non-radioactive-based techniques used in life science applications - Part II „High-throughput screening" beschrieben sind.
Die Erfindung wird anhand besonderer Ausgestaltungen, die in den beiliegenden Figuren schematisch und nicht maßstabsgetreu dargestellt sind, näher erläutert. Dabei zeigt:
Figur 1 die Durchführung eines erfindungsgemäßen Titrationsverfahrens,
Figur 2 eine andere Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Titrationsverfahrens,
Figur 3 eine weitere Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Titrationsverfahrens, und
Figur 4 einen Verfahrensschritt bei einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Titrationsverfahrens.
Figur 1 zeigt einen Festkörperchip, z. B. einen piezoelektrischen Lithiumniobatchip 5, auf dessen Oberfläche 7 das erfindungsgemäße Titrationsverfahren durchgeführt werden kann. Ein Tropfen 1 eines Analyten in der Größenordnung von 0,5 nl bis 100 nl befindet sich auf einem Analysepunkt 15, dessen Benetzungseigenschaften sich von seiner Umgebung unterscheiden. Umfaßt der Analyt z. B. eine wäßrige Lösung, so ist der Analysepunkt 15 hydrophil im Vergleich zur umgebenden Festkörperoberfläche. Dies kann z. B. dadurch erreicht werden, daß die umgebende Oberfläche durch Silanisierung hydrophob gemacht wird. Für eine typische Flüssigkeitsmenge von 0,5 nl bis 10 nl eignet sich z. B. ein Analysepunkt mit einer Fläche von z. B. 100 μm x 100 μm.
Auf einem Ankerpunkt 16 befindet sich ein Reservoirtropfen 3 der Titrantenlösung. Der Ankerpunkt 16 ist ebenfalls derart ausgestaltet, daß er mit der Titrantenlösung stärker benetzt als die umgebende Festkörperoberfläche.
Analysepunkt 15 und Ankerpunkt 16 sind über einen Pfad 18 miteinander verbunden, der ebenfalls solche Benetzungseigenschaften aufweist, daß er mit der Titrantenlösung besser benetzt als die umgebende Festkörperoberfläche. Der Pfad 18 ist an den Engstellen 14, 12 derart eingeschränkt, daß die auf dem Ankerpunkt 16 bzw. Analysepunkt 15 befindlichen Tropfen aufgrund ihrer Oberflächenspannung den Analysepunkt 15 bzw. den Ankerpunkt 16 ohne äußere Krafteinwirkung nicht verlassen.
9, 11 und 13 bezeichnen Interdigitaltransducer, die geeignet sind, Oberflächenschallwellen auf der Oberfläche 7 des Lithiumniobatkristalles 5 anzuregen. Die Interdigitaltransducer bestehen in ihrer einfachsten Form aus zwei Elektroden mit fingerartig ineinander greifenden Fortsätzen. Anlegen eines Wechselfeldes z. B. in der Größenordnung von 100 MHz an die Elektroden eines Interdigitaltransducers führt zur Anregung einer Oberflächenschallwelle mit einer Wellenlänge, die dem Fingerabstand der fingerartig ineinander greifenden Elektroden entspricht und deren Ausbreitungsrichtung im wesentlichen senkrecht zu den Fingerelektroden ist. Im Fall der Interdigitaltransducer 9 wird dies beispielsweise durch den Pfeil 10 schematisch angedeutet. Jeder Transducer umfaßt eine große Anzahl von ineinander greifenden Fingern, von denen jeweils nur einige schematisch und nicht maßstabsgetreu dargestellt sind. Es sind auch andere Transducergeometrien einsetzbar, wie sie aus der Technologie der Oberflächenschallwellenfilter bekannt sind.
Die Interdigitaltransducer 9 sind derart ausgerichtet, daß sich eine durch sie angeregte Oberflächenschallwelle in Richtung des Analysepunktes 15 bewegt. Der Interdigitaltransducer 11 bewirkt eine Oberflächenschallwelle in Richtung 19. Der Interdigitaltransducer 13 bewirkt schließlich eine Oberflächenschallwelle in Richtung 21. Nicht gezeigt sind der Übersichtlichkeit halber die elektrischen Anschlüsse
an die Elektroden der Interdigitaltransducer, die in konventioneller Weise vorgesehen sind.
23 zeigt in schematischer Darstellung die Spitze eines an sich bekannten Piezo- dispensers zur Aufbringung des Reservoirtropfens 3 des Titranten auf den Ankerpunkt 16. Das Abfließen der Flüssigkeit aus der Dispenserspitze 23 ist mit dem Pfeil 24 angedeutet.
Auf der gezeigten Vorrichtung kann das erfindungsgemäße Verfahren wie folgt durchgeführt werden.
Zunächst wird mit einer nicht gezeigten Dispenserkopfspitze ähnlich der Dispenserspitze 23 ein Tropfen des Analyten 1 auf den Analysepunkt 15 aufgebracht. Aufgrund der speziell gewählten Benetzungseigenschaften des Analysepunktes 15 verglichen mit den Benetzungseigenschaften der umgebenden Festkörperoberfläche 7 verläßt der Tropfen 1 , der durch seine Oberflächenspannung zusammengehalten wird, den Analysepunkt 15 nicht. Mit der Dispenserspitze 23 wird ein Tropfen des Titranten 3 auf den Ankerpunkt 16 aufgebracht. Ebenfalls aufgrund seiner Oberflächenspannung und der Benetzungseigenschaften des Ankerpunktes im Vergleich zu den Benetzungseigenschaften der umgebenden Festkörperoberfläche 7 (z. B. hydrophil im Vergleich zur umgebenden Festkörperoberfläche bei einer wäßrigen Titrantenlösung) verläßt dieser Tropfen 3 den Ankerpunkt 16 nicht. Die aufgebrachten Volumina des Analyten bzw. des Titranten können im Bereich von einem Pikoliter bis mehreren 100 Mikrolitem sein.
An den Interdigitaltransducer 13 wird jetzt eine Wechselfrequenz, z. B. einiger 100 MHz, angelegt, so daß eine Oberflächenschallwelle in Richtung 21 generiert wird. Der Impulsübertrag der Oberflächenschallwelle bewegt den Tropfen 3 in Richtung der Engstelle 14, die den Ankerpunkt 16 mit dem Pfad 18 verbindet. Eine kleine Menge des Tropfens 3 bewegt sich über die Engstelle 14 und reißt bei entsprechender Dimensionierung definiert ab. Die notwendige Verringerung der Breite an der Engstelle 14 kann z. B. durch Vorversuche festgestellt worden sein. Die abge-
trennte Titrantenmenge kann z. B. einige Nanoliter betragen, sollte jedoch kleiner sein als etwa ein Zehntel der Analytenmenge auf dem Analysepunkt 15.
Der abgezogene Teil 17 des Titranten, die Titrationsmenge, bewegt sich ebenfalls durch Impulsübertrag der Oberflächenschallwelle, die mit dem Interdigitaltransducer 13 erzeugt wird, von dem Ankerpunkt 16 weg. Mit Hilfe eines zweiten Transducers 11 wird die Bewegung der kleinen Titrationsmenge des Titranten in Richtung des Analysepunktes 15 fortgesetzt.
Die kleine Titrantenmenge 17 trifft auf den Analyttropfen 1 auf dem Analysepunkt 15. Mit Hilfe einer Oberflächenschallwelle, die von einem der Interdigitaltransducer 9 erzeugt wird, kann die Reaktion zwischen Titrant und Analyt beschleunigt werden. Mit einem zweiten Interdigitaltransducer 9 kann die Oberflächenschallwelle nach dem Durchlaufen des Analysepunktes 15 detektiert werden. Durch die Reaktion des Analyten mit dem Titranten kann sich z. B. die Dämpfung der Oberflächenschallwelle verändert haben, so daß Information über die Reaktion erhalten werden kann. Außerdem kann durch Vergleich mit entsprechenden Referenzmessungen die genaue Menge des Analyten auf dem Analysepunkt 15 aus der Dämpfung einer Oberflächenschallwelle festgestellt werden.
Bei anderer Verfahrensführung kann von jedem der Interdigitaltransducer 9 eine Oberflächenschallwelle in Richtung Analysepunkt 15 geschickt werden, um die Reaktion zu beschleunigen bzw. die Flüssigkeit effektiv zu durchmischen.
Durch eine entsprechend gepulste Oberflächenschallwelle, die mit dem Interdigitaltransducer 13 erzeugt wird, können in definierter Weise mehrere kleine Titran- tenmengen 17 in Richtung des Analysepunktes 15 in beschriebener Weise zur Durchführung einer Titration 1 bewegt werden.
Mehrere entsprechende Vorrichtungen können auf einem Chip parallel vorgesehen sein, so daß eine parallele Durchführung mehrerer Experimente möglich ist.
Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren läßt sich unter anderem ITC (Isothermal Calorimetric Titration) oder DSC (Differential Scanning Calorimetry) durchführen, wie sie von I. Jelesarov und H. R. Bosshard in J. Mol. Recognit. 1999; 12: 3-18 in einem Übersichtsartikel beschrieben sind.
In Figur 2 ist ein alternatives Verfahren dargestellt. Der Übersichtlichkeit halber zeigt Figur 2 nicht die zur Durchmischung ggf. vorgesehenen Transducer 9. Gleiche Bezugszeichen bezeichnen ansonsten gleiche Elemente wie in Figur 1. Bei dem Verfahren, das in Figur 2 dargestellt ist, wird zur Titration die Leitfähigkeit des Analyten 1 gemessen. Dazu sind auf der Oberfläche 7 des Festkörperchips 5 Elektroden 25 vorgesehen, die mit dem Analysepunkt 15 verbunden sind. Elektrische Verbindungen führen zu einem Leitfähigkeitsmeßgerät 27. Durch sukzessive Zugabe von Titrant in kleinen Mengen 17 ändert sich die Leitfähigkeit des Analysetropfens 1 , was mit Hilfe des Leitfähigkeitsmeßgerätes 27 festgestellt werden kann. Zur Durchführung eines solchen erfindungsgemäßen Verfahrensablaufes ist der Analysepunkt 15 aus nicht leitfähigem Material hergestellt.
In Figur 3 ist eine weitere erfindungsgemäße Verfahrensführung dargestellt. Anstelle der Leitfähigkeitsmessung der Figur 2 wird eine optische Messung durchgeführt. Wiederum sind die zur Durchmischung ggf. vorgesehenen Transducer 9 nicht dargestellt. Eine Leuchtdiode 31 oder eine andere geeignete Lichtquelle beleuchtet den Festkörperchip 5 von unten. Zum Beispiel mit Hilfe einer Glasfaser 29 wird das optische Signal aufgefangen und an eine nicht gezeigte Auswerteeinrichtung weitergeleitet und in an sich bekannter Weise ausgewertet. Mit Hilfe dieser Ausführungsform kann z. B. der Farbumschlag eines Analyten gemessen werden, in dem ein Indikator gelöst ist, der nach Zugabe einer bestimmten Titrantenmenge umschlägt. Wird ein nicht transparentes Substrat eingesetzt, so kann der Lichtweg auch parallel zur Oberfläche 7 des Chips 5 gewählt werden.
Die beschriebenen erfindungsgemäßen Ausgestaltungen des Verfahrens nutzen die Engstelle 14, um eine definierte Menge 17 des Titranten von dem Titranten 3 abzuziehen. In Figur 4 ist eine alternative Möglichkeit zur Abtrennung einer kleinen
Titrantenmenge dargestellt. Gleiche Bezugszeichen bezeichnen vergleichbare Elemente wie in den Figuren 1 bis 3. Ein Reservoirtropfen 3 befindet sich auf einem der Ankerpunkte 16. Durch Impulsübertrag einer Oberflächenschallwelle, die mit dem Interdigitaltransducer 13, der dem entsprechenden Ankerpunkt 16 am nächsten ist, erzeugt wird, wird der Reservoirtropfen 3 in Richtung des zweiten Ankerpunktes 16 getrieben. Der Impulsübertrag einer anderen Oberflächenschallwelle, die mit dem Interdigitaltransducer 13 erzeugt wird, der dem zweiten Ankerpunkt am nächsten ist, wird der Reservoirtropfen wieder zurückgetrieben. Dabei bewegt er sich entlang der angedeuteten Strecke 43 hin und her. Er überquert dabei ein- oder mehrfach einen Oberflächenbereich 41 , dessen Fläche kleiner ist als die Berührungsfläche des Reservoirtropfens 3 mit der Festkörperoberfläche 7. Dieser Oberflächenbereich 41 hat derartige Benetzungseigenschaften, daß die Flüssigkeit des Reservoirtropfens 3 ihn stärker benetzt als seine umgebende Festkörperoberfläche. Nach ein- oder mehrfacher Überquerung des Oberflächenbereiches 41 hat sich aus dem Reservoirtropfen 3 eine kleine Titrantenmenge 17 abgelöst. Bei wäßriger Titrantenlösung hat der Oberflächenbereich 41 z. B. hydrophile Eigenschaften.
Nachdem die kleine Titrantenmenge 17 auf diese Weise von dem Reservoirtropfen 3 abgetrennt worden ist, kann mit Hilfe des Impulsübertrages einer Oberflächenschallwelle, die z. B. in Richtung 45 mit dem Interdigitaltransducer 11 erzeugt werden kann, die Titrantenmenge 17 von dem Oberflächenbereich 41 fortbewegt werden, z. B. in Richtung eines in der Figur 4 nicht gezeigten Analysepunktes, um dort mit einem Analyttropfen vereinigt zu werden, wie es oben mit Bezug zu Figuren 1 bis 3 beschrieben ist.
Der Reservoirtropfen 3 und der Titrantentropfen 17 können dabei entlang von bevorzugt benetzten Pfaden bewegt werden, wie sie bereits mit Bezug zu den Figuren 1 bis 3 beschrieben sind und dort mit dem Bezugszeichen 18 bezeichnet sind. Solche Pfade haben vorteilhafterweise eine laterale Ausdehnung, die kleiner ist als der Durchmesser des Oberflächenbereiches 41. Das erfindungsgemäße Verfahren und das beschriebene Abtrennen der kleinen Titrantenmenge 17 lassen sich jedoch
auch ohne derartige Pfade durchführen, so daß diese in Figur 4 nicht dargestellt sind.
Mit dem in Figur 4 dargestellten Verfahren lassen sich z. B. 20 Pikoliter kleine Tröpfchen 17 von einem Reservoirtropfen 3 mit 50 Nanolitem abtrennen. Es können auf dem Weg des Reservoirtropfens 3 mehrere Oberflächenbereiche 41 vorgesehen sein, wenn mehrere Titrantenmengen 17 gleichzeitig abgetrennt werden sollen. Je nach Eigenschaft der zu manipulierenden Flüssigkeit in dem Reservoirtropfen 3 können durch entsprechende Vorversuche geeignete Geometrien für den Oberflächenbereich 41 festgelegt werden, z. B. kreis- oder ringförmig.
Das in Figur 4 beschriebene Verfahren zur Abtrennung einer kleinen Titrationsmenge 17 von einem Reservoirtropfen 3 kann selbstverständlich mit allen oben bereits beschriebenen Ausführungsformen zur Titration und der nachfolgenden Analyse kombiniert werden.