Verfahren zur Herstellung von gesintertem Siliciumnitrid
Beschreibung
Siliciumnitrid hat aufgrund seiner hervorragenden Werkstoff- eigenschaften in zahlreiche Gebiete der Technik Einzug gehal¬ ten. Ein echter Masseneinsatz mit großen Stückzahlen blieb ihm allerdings bislang verwehrt, da die Herstellung von Si3N4-Tei- len außerordentlich aufwendig ist.
Dies liegt zu einem großen Teil an den Sinterbedingungen, die notwendig sind, um den Werkstoff während der letzten Phase des Herstellungsprozesses zu verdichten. In der Regel werden für Siliciumnitrid Einsatzmoglichkeiten bei hohen Temperaturen von bis zu 1200°C, teilweise sogar bis zu 1400°C, angestrebt. Dieε bedingt aber, daß die zur Sinterung verwendete oxidische Bin¬ dephase, typischerweise eine Glasphase, einen Transformations- punkt Tg aufweist, der oberhalb 1000°C liegen muß. Die physi- kalische Kenngröße Tg/ die ein Maß für die Stabilität der er¬ starrten Glasschmelze ist, kennzeichnet die Übergangstempe¬ ratur, bei der sich die Viskosität des Glases - meist unter Druck - zu erniedrigen beginnt .
Da die Sinterung erst bei einer genügend niedrigen Viskosität der Glasphase durchgeführt werden kann, muß die Temperatur zwischen 1750 und 2000°C liegen. Ein optimaler Sinterprozeß ist deshalb nur mit sehr großem Energieaufwand durchzuführen. Weitere aufwendige Voraussetzungen sind eine Schutzgasatmos- phäre von reinster Qualität, wofür ein hermetisch abgeschlos¬ sener Ofen nötig ist, sowie eine Kapselung im Si3N4-Pulverbett . In vielen Fällen muß außerdem eine Glasphase verwendet werden, die aus teuren Oxiden wie bspw. Seltenerdmetalloxiden besteht. Entscheidend für die Qualität des Sinterproduktes ist auch ein möglichst kleiner Temperaturgradient im Ofen, was oft eine aufwendige Regel- und Steuertechnik voraussetzt. Insgesamt ist also die Sinterung von Siliciumnitrid-Werkstoffen äußerst
kostenintensiv.
Betrachtet man aber demgegenüber die tatsächlichen Einsatz- bedmgungen verschiedener Werkstoffteile aus Siliciumnitrid, so zeigt sich, daß die maximalen Anwendungstemperaturen in vielen Fällen 750°C gar nicht überschreiten und in zahlreichen Fällen sogar unter 300°C liegen. Dennoch werden bisher auch die fur diese niedrigen Temperaturbereiche bestimmten Teile bei den angegebenen und z.T nur sehr aufwendig zu erfüllenden Bedingungen gesintert.
Es hat sich daher die Aufgabe gestellt, em einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Herstellung von gesintertem Siliciumnitrid fur Anwendungen bei geringeren Temperaturen bereitzustellen. Dieses Verfahren soll es ermöglichen, aus Siliciumnitπdpulver mit einer Teilchengröße < 2 μm und einer Glasphase oder deren Bestandteilen mit einer jeweiligen Teil- chengröße < 2 μm, ohne großen energetischen und technischen Aufwand einen Werkstoff auf Basis von Sι3N4 zu produzieren, der bei Temperaturen unter 750°C eingesetzt werden kann, um diesen einer wirtschaftlichen Massenfertigung zuführen zu können.
Gelost wurde diese Aufgabe, indem man dem Siliciumnitπdpulver von 5 bis 20 Gew.-% und vorzugsweise von 5 bis 15 Gew.-% einer oder mehrerer Glasphasen zusetzt, wobei der Transformations- punkt Tg der jeweiligen Glasphase unterhalb 750°C liegt und indem die Sinterung der Glasphase (n) mit dem Siliciumnitnd- pulver unterhalb von 1400°C durchgeführt wird.
Beim erfindungsgemaßen Verfahren können die Glasphasen dem Siliciumnitridpulver als solche zugesetzt werden. Es ist je¬ doch auch möglich, die Bestandteile der Glasphasen einzeln zuzugeben. Typische Glasphasenbestandteile sind Sι02, Al203, B203, Alkalimetalloxide wie etwa Lι20, Na20 oder K20 und Erdal- kalimetalloxide wie etwa MgO und CaO. Daneben können natürlich auch andere Bestandteile vorhanden sein, vorausgesetzt, daß der Transformationspunkt Tg der Glasphase 750°C nicht über-
schreitet .
Betrachtet man die Transformationspunkte Tg der einzelnen Glas- bestandteile (z.B. Si02, Al203) , so können diese durchaus weit über 1500°C liegen. Entscheidend für die Erfindung ist aber, daß der Transformationspunkt Tg der Gesamtheit der Phasenbe- standteile 750°C nicht überschreitet.
Überraschend hat sich gezeigt, daß mit dem erfindungsgemäßen Herstellungsverfahren nicht nur die genannten aufwendigen Bedingungen weitgehend umgangen werden können, sondern daß es auch möglich ist, bei erstaunlich niedrigen Druckverhältnissen bspw. < 10 bar zu sintern, was die Wirtschaftlichkeit weiter erhöht. Außerdem werden Werkstoffqualitäten erreicht, die hinsichtlich Bruchfestigkeit, Dichten und ß-Phasenanteile des Siliciumnitrids den geforderten Ansprüchen, vor allem bei niedrigen Anwendungstemperaturen < 750°C, mehr als genügen.
Wichtig ist, daß die verwendete Glaskomponente eine dem Si3N4 angepaßte Wärmedehnung aufweist, weshalb in einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens der lineare Wärmedehnungskoef¬ fizient at der verwendeten Glasphase im Temperaturbereich unter 300°C zwischen 2,5'10"6K"1 und 7,010"SK"1 liegen soll.
Die Glasphase (n) sollte (n) darüber hinaus vorzugsweise vor¬ nehmlich aus solchen oxidischen Komponenten aufgebaut sein, deren jeweilige freie Enthalpien ΔG (Bildungsenthalpien aus den Elementen bei 298 K) bei der erfindungsgemaßen Sintertem- peratur unterhalb von 1400°C mindestens 60% der freien Enthal¬ pie von Si02 betragen. Die entsprechenden Enthalpiewerte sind der Literaturstelle I. Barin, 0. Knacke: "Thermochemical pro¬ perties of inorganic substances", Springer-Verlag 1973, zu entnehmen und sind durch diese Bezugnahme Bestandteil dieser Anmeldung. Erfüllt wird diese Bedingung der Erfindung u.a. durch die Verwendung von Alkaliboratgläsern, insbesondere von Lithiumboratgläsern mit Anteilen an B203 zwischen 65 und 75
Gew.-% und an Lι20 von 25 bis 35 Gew.-%. Geeignet im allgemei¬ nen Sinn sind aber auch Borsilikatgläser. Für das vorliegende Verfahren haben sich insbesondere solche Glasphasen als beson¬ ders geeignet erwiesen, deren jeweiliger Transformationspunkt s Tg unter 550°C liegt.
Typischerweise erfolgt die Herstellung des Sinterwerkstoffes, indem das Siliciumnitridpulver mit den Glasbestandteilen (also z.B. Si02, B203 und Na20) oder zerkleinerten Glasbruchstücken m o Wasser mit einer Rührwerkskugelmühle auf eine Oberfläche von mindestens 12 m2/g BET (Brunnauer-Emmet-Teller) vermählen wird, was einer allgemein üblichen Teilchengröße von < 2 μm ent¬ spricht, oder aber indem die beiden Pulverkomponenten mit den entsprechenden Partikelgrößen < 2 μm trocken gemischt werden, 5 und indem aus dem m beiden Fällen entstehenden Pulvergemenge ein Granulat gefertigt wird. Dieses wird anschließend zu einem Grünkörper verpreßt, der unter Stickstoff oder einem anderen geeigneten Inertgas im erfindungswesentlichen Temperaturbe¬ reich unter 1400°C, bevorzugt zwischen 1000 und 1300°C, ge- 0 sintert wird.
Für den sich dabei vollziehenden Übergang der a- in die ß-Phase des Sι3N4 sieht die Erfindung eine Sinterungsdauer von vorzugsweise 15 bis 120 Minuten vor. 5
Auf diese Weise erhält man je nach verwendeter Glasphase und abhängig vom vorgegebenen Anforderungsprofil hochfeste, dichte Werkstoffteile, die den unterschiedlichsten Verwendungszwecken im Temperaturbereich allgemein unter 750°C oder deutlich nied- 0 riger bestens gerecht werden. Der solchermaßen hergestellte Siliciumnitπd-Werkstoff findet vorzugsweise für Einsatztempe¬ raturen bis 750°C Verwendung, im Falle der Alkaliboratgläser besonders bevorzugt bis 200°C. Geeignet ist der so hergestellte Werkstoff bspw. als Schleißteil oder als Kugel-
35 lager.
Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist somit
em gesintertes Siliciumnitrid-Werkstoffteil , umfassend Sili¬ ciumnitrid und von 5 bis 20 Gew.-% einer oder mehrerer Glas¬ phasen bezogen auf das Gewicht von Siliciumnitrid, wobei die Glasphasen einen Transformationspunkt Tg von unterhalb 750°C aufweisen und wobei die Dichte des Werkstoffteils 95% der maximalen theoretischen Dichte ist. Die Festigkeit des Werk- stoffteils beträgt vorzugsweise > 450 MPa, besonders bevorzugt > 600 MPa und am meisten bevorzugt >750 MPa. Das Werkstoffteil enthält ß-Siliciumnitrid in einem Anteil von vorzugsweise ≥ 80 Gew.-% bezüglich des gesamten Siliciumnitnds.
Die nachfolgenden Beispiele sollen die Vorteile des erfindungsgemäßen Herstellungsverfahrens verdeutlichen.
BEISPIELE
Für die in den nachfolgenden Beispielen beschriebenen Versuche zur Herstellung von gesintertem Siliciumnitrid wurden folgende
Siizot * eingetragene Marke der SKW Trostberg AG
Glastypen
Anteile [Gew -%] Schott 8487 Schott Duran Corning 725 1
SiO- 75, 1 79,7 78
Al,O-, 1 ,3 J , ι
B:O3 16,7 10,3 15
Na2O 4,3 5.2 5
K2O 1,4 n b n b
MgO 0,4 0,9 n b
CaO 0,7 0,8 n b
Transformationspunkt Tg [°C] 523 568 543 Yerarbeitungstemperatur WP [°C] 135 200 167 Warmedehnungskoeffizient α [ 10 hk '] 4,0 3,7
n b nicht bekannt
Beispiel 1
Die beiden Silzot®-Typen 7038 sowie HQ wurden entsprechend den beschriebenen Versuchen mit einer Rührwerkskugelmühle mit s Glaspulver der Typen Schott 8487, Schott Duran oder Corning 7251 in Wasser auf eine Oberfläche von 12 m2/g BET vermählen. Aus den Pulvergemengen wurden zunächst Granulate hergestellt, diese zu Grünkörpern verpreßt, die abschließend unter Stick¬ stoffatmosphäre von 1200 mbar bei den jeweils angegebenen o Temperaturen gesintert worden sind. Zur Ermittlung der Parame¬ ter Festigkeit, Dichte und Anteil an ß-Phase wurden aus den Sinterkörpern Biegebruchstäbe herausgearbeitet. Die Werte für die Festigkeit wurden durch einen 4-Punkt-Bιegetest, σ4b, Auf¬ lageabstand 40/20 mm bestimmt. 5
0
Beispiel 2 5
87 Gew.-% Siizot® HQ wurden in Wasser gemeinsam mit 13 Gew.-% oxidischer Komponenten entsprechend der Glaszusammensetzung Corning 7251 mit einer Rührwerkskugelmühle auf eine Oberfläche von 15 m2/g BET vermählen. Die weitere Vorgehensweise entsprach 0 der im Beispiel 1 beschriebenen. Die Sinterung wurde bei 1250°C 60 Minuten lang durchgeführt. Die untersuchten Biege¬ bruchstäbe wiesen 98% der theoretischen Dichte und eine Fes¬ tigkeit von 830 MPa auf. Der ß-Phasenanteil betrug 85 Gew.-%.
5 Teile, die gemäß den Beispielen 1 und 2 hergestellt werden, können bei Temperaturen bis zu maximal 500°C, also bspw. als Einlaßventile m Verbrennungsmotoren für PKW eingesetzt wer-
den, weil der Transformationspunkt Tg der verwendeten Glaspha¬ sen jeweils oberhalb von 500°C liegt.
Beispiel 3
85 Gew.-% Siizot® 7038 wurden mit 15 Gew.-* eines Alkaliborat¬ glases bestehend aus 73 Gew.-% B203 und 27 Gew.-% Li20 entspre¬ chend der Vorgehensweise in Beispiel 2 verarbeitet. Das Sin- tern erfolgte unter Stickstoffdeckung über 2 Stunden lang bei 1000°C. Der Sinterkörper hatte bei einer relativen Dichte von 98% eine Biegebruchfestigkeit von 625 MPa. Da der Wärmedeh¬ nungskoeffizient der Glasphase mit a = 7,010"6K"1 wesentlich größer ist als der von Siliciumnitrid (α = 3,2T0'6K"1) , ist in diesem Fall die Einsatztemperatur für die gesinterten Werk¬ stücke auf etwa 200°C zu beschränken.